Die Ranch
zu dünn.«
»Jawohl, Doktor.« Voller Zuneigung schaute sie zu ihm auf und wünschte, die Dinge hätten sich anders entwickelt. »Danke für den schönen Abend. Wenn ich zurückkomme, musst du Jade und mich mal besuchen. Ich bin eine fantastische Hot-Dog-Köchin.«
»Vielleicht sollte ich euch beide lieber in ein Restaurant einladen«, meinte er lächelnd. Wenn er bloß wüsste, was sie ihm verheimlichte – wenn er sie doch aus ihrer Festung entführen könnte …
Bis zu einem gewissen Grad war ihm das in den letzten Stunden gelungen – was er zum Glück nicht ahnte. »Nochmals vielen Dank, Sam.«
»Tut mir Leid, dass ich dich bedrängt habe.« Womöglich hatte er sie noch tiefer in ihr mysteriöses Versteck hineingetrieben.
»Mach dir deshalb keine Sorgen, das verstehe ich.« Sogar viel zu gut, und sie war gerührt und geschmeichelt, aber unerschütterlich.
»Das bezweifle ich. Was mich betrifft – ich verstehe gar nichts. Nur eines weiß ich – ich hätte dich schon in der Universität erobern müssen. Vielleicht habe ich zu lange gewartet.«
Sein unglücklicher Blick brach ihr fast das Herz. »Mach dir deshalb keine Gedanken, Sam«, erwiderte sie leise und tätschelte seinen Arm.
Er begleitete sie zur Haustür. Nicht zum ersten Mal an diesem Abend musste er den Impuls bekämpfen, Zoe zu küssen. Am nächsten Tag würde er nicht in die Klinik kommen, aber vor ihrer Abreise würden sie sich noch einmal sehen, und das tröstete ihn. Wenigstens konnte er hin und wieder mit ihr zusammenarbeiten, der einzige Lichtblick, der ihm noch blieb …
»Bis bald.« Er hauchte einen Kuss auf ihren Scheitel. Als sie die Tür öffnete, ging er die Stufen zu seinem Wagen hinab. Dann drehte er sich um, und ihre Blicke trafen sich ein letztes Mal. Sie winkte ihm zu und ging ins Haus. Ein paar Sekunden später hörte sie ihn davonfahren.
Geistesabwesend lenkte er das Auto die Straße hinab. Dieser Abend war ganz anders verlaufen als erwartet. Warum konnte er das Rätsel nicht lösen, das Zoe umgab? Obwohl er sie schon so lange kannte …
10
Bevor Mary Stuart abreiste, stand sie ein letztes Mal in ihrem Wohnzimmer und sah sich um. Die Jalousien waren herabgezogen, die Vorhänge geschlossen, und sie hatte die Klimaanlage abgeschaltet. Allmählich erwärmte sich das Apartment. New York war in der letzten Woche von einer sengenden Hitzewelle heimgesucht worden. Am vergangenen Abend hatte Alyssa aus Holland angerufen, von der Reise mit den Freunden geschwärmt, und Mary Stuart nahm an, ihre Tochter würde ihre erste ernsthafte Romanze erleben. Natürlich freute sie sich für Alyssa, bedauerte aber immer noch, dass die geplante gemeinsame Europareise nicht stattfand.
Hin und wieder hatte sie auch mit Bill telefoniert, der offensichtlich hart arbeitete. Ihre Absicht, zwei Wochen in Wyoming zu verbringen, verwirrte ihn. Warum? Das verstand er nicht. Er fand, sie sollte lieber nach Martha's Vineyard fahren oder zu Freunden in die Hamptons, so wie am Vierten Juli. Ihre Freundschaft mit Tanya Thomas hatte er stets missbilligt. Und warum wollte sie auf einer Touristenranch Urlaub machen, wo sie sich doch nie für Pferde interessiert hatte? Er erhob all die Einwände, die sie früher bewogen hätten, sich anders zu besinnen, doch diesmal ließ sie sich nicht von ihrem Entschluss abbringen. Sie wollte die Gesellschaft ihrer Freundin genießen und am Morgen die Berge betrachten. Und sie musste weg von hier, um ihr Leben zu überdenken und neu zu ordnen. Wenn er das nicht begriff, war das sein Problem. Er würde zwei Monate in England verbringen, ohne sie, und es stand ihm nicht zu, ihr irgendwas vorzuhalten. Dieses Recht hatte er mit seiner Weigerung verwirkt, Mary Stuart nach London mitzunehmen; und er hatte sehr viel in den letzten Monaten zerstört, wissentlich oder unabsichtlich.
Über das alles wollte sie nachdenken. Sie konnte sich nicht vorstellen, so weiterzuleben, in der beklemmenden, lieblosen Atmosphäre, die ihr Mann erzeugt hatte. Wenn sie am Abend vor seiner Abreise auch einen Schatten des alten Bill wieder gesehen hatte – sie bezweifelte, dass sie ihn am Ende des Sommers noch einmal finden würde.
Was sie einst mit ihm verbunden hatte, war verschwunden, wahrscheinlich für immer. Und es lohnte sich nicht, an der Ehe festzuhalten, die sie jetzt führten – ohne Gespräche, ohne zärtliche Gesten. Nicht nur Todd war gestorben, sondern auch die Gemeinschaft seiner Eltern. In Wyoming wollte Mary Stuart herausfinden,
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