Die Ranch
ob sie noch irgendetwas teilten. Aber während sie sich jetzt im Wohnzimmer umschaute, gewann sie den Eindruck, sie würde ihr einstiges Leben endgültig verlassen. Nie wieder würde es so sein wie früher, und sie würde nicht zu dem Mann zurückkehren, der sie monatelang schmählich im Stich gelassen hatte. Deshalb musste sie auch überlegen, ob sie ihm vorschlagen sollte, das Apartment zu verkaufen.
Der Gedanke, in ihrem Alter allein zu bleiben, erschreckte sie. Aber wenn sie keinen Schlussstrich zog, würde sie in einer Gruft dahinvegetieren, die Bill errichtet hatte, und dieses Schicksal erschien ihr viel schlimmer. Auf dem Weg durch den langen Flur warf sie einen Blick in Todds Zimmer. Die
Vorhänge hatte sie entfernt, die Bettdecke befand sich in der Reinigung. Nichts war von ihm übrig, nur die Erinnerung in ihrem Herzen. Nun fühlte sie sich befreit. Sie trug ihren Koffer und die Reisetasche zur Wohnungstür, dachte an ihren Sohn, an Bill und Alyssa. Wie glücklich waren sie einmal gewesen – und dann hatte das Familienidyll ein jähes, grausames Ende gefunden.
Den Schlüssel in der Hand, hielt sie inne, um Abschied zu nehmen – von ihrem Mann, ihrem Kind, vom ehemaligen Zusammenleben. »Ich liebe dich«, flüsterte sie in dem stillen Flur und wusste nicht genau, wen oder was sie meinte. Leise schloss sie die Tür hinter sich.
Der Pförtner öffnete ihr die Tür des Taxis, und eine Stunde später erreichte sie den Kennedy Airport. Der Flug nach Los Angeles verlief ereignislos.
Nach hektischen Aktivitäten verließ Tanya ihr Haus -mit sechs Koffern, zwei Schachteln voller Hüte, neun Paar Cowboystiefeln in verschiedenen Farben. Die Haushälterin verstaute das Gepäck im Wohnmobil. Für die Fahrt durch Nevada und Idaho hatte Tanya ein Dutzend neue Videos gekauft. Man hatte ihr erzählt, das sei eine langweilige Strecke, deshalb nahm sie sich auch einige Drehbücher mit, denn man hatte ihr mehrere Filmrollen angeboten.
Jetzt war es elf, um halb eins sollte Mary Stuarts Maschine landen. Vorher würde Tanya Reiseproviant bei Gelsen's kaufen. Der Kühlschrank im Wohnmobil war zwar gut bestückt, aber sie wollte noch besondere Delikatessen hinzufügen.
Geduldig wartete der Fahrer, während sie ihrem Hund einen Abschiedskuss gab, der Haushälterin dankte und sie ermahnte, die Alarmanlage einzuschalten, ihren Hut, die Handtasche und das Adressbuch ergriff. Mit flatternden Haaren rannte sie zum Bus, bildhübsch in einem weißen T-Shirt, hautengen Blue Jeans und ihren ältesten hellgelben Cowboystiefeln. Die hatte sie an ihrem sechzehnten Geburtstag in Texas gekauft, und so sahen sie auch aus. Auf dem College hatte sie diese geliebten Stiefel fast täglich getragen.
»Danke, Tom.« Sie stieg ein und winkte dem Chauffeur zu. Langsam manövrierte er das riesige Vehikel durchs Tor und die schmale Zufahrt hinab. In Tanyas Wohnmobil gab es zwei große Räume – ein Wohnzimmer in Teakholz und marineblauem Samt, mit bequemen Sesseln, zwei Sofas und einem Tisch für acht Personen, sowie ein waldgrünes Schlafzimmer, das man mühelos in einen weiteren Wohnraum umwandeln konnte. Dazwischen lagen eine funktionelle Küche und ein Marmorbad. Vor Jahren hatte sie, anlässlich ihrer ersten Platinschallplatte, den Wohnwagen gekauft. Er glich einer Jacht oder einem Privatflugzeug, und so teuer war er auch gewesen.
Unterwegs würde sie mit Mary Stuart im Wohnmobil schlafen, und sie würden vor einem Motel parken, damit Tom sich ein Zimmer nehmen konnte. Dank einer ausgeklügelten Alarmanlage drohte ihnen keine Gefahr. Manchmal nahm Tanya Bodyguards mit, aber auf dieser Fahrt fand sie das überflüssig. Sie freute sich auf die Reise und die Gespräche mit ihrer Freundin. Wenn sie jeden Tag zehn Stunden fuhren, würden sie am nächsten Abend in Jackson Hole eintreffen.
Zehn Minuten vor Mary Stuarts Ankunft erreichten sie den Flughafen. Tanya wartete an der Sperre, mit einer Sonnenbrille und einem schwarzen Cowboyhut, bis Mary Stuart erschien, in Jeans und einem Blazer, eine Vuitton-Reisetasche in der Hand. Wie üblich sah sie untadelig aus, so als wäre sie gerade beim Friseur gewesen und hätte ihr Jackett im Flugzeug bügeln lassen.
»Wenn ich bloß wüsste, wie du das machst!«, rief Tanya. »Immer adrett und elegant!«
»Wahrscheinlich ist's angeboren. Deshalb haben mich meine Kinder gehasst. Todd versuchte dauernd, mich zu zerzausen, damit ich aussehe.« Beinahe klang die Erklärung entschuldigend. Arm in Arm
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