Die Ranch
Tanya reich und berühmt war.
An das alles hatte sich Tanya längst gewöhnt. »Warum sollte er sich schämen?«, fragte sie, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. »Dauernd werde ich wie eine Weihnachtsgans ausgenommen, und niemand schämt sich. So ist es nun einmal. Manchmal ärgere ich mich immer noch darüber. Der Anwalt erklärte mir, es würde doch nur ums Geld gehen und ich dürfe mich nicht aufregen. Aber es ist
mein
Geld, für das ich hart gearbeitet habe. Deshalb sehe ich nicht ein, wieso irgendein Kerl nur eine Zeit lang mit mir schlafen muss, um sich dann alles zu nehmen, was er haben will. Ein bisschen viel für drei Jahre. Und Tony hat mich auch noch betrogen. Wer entschädigt
mich
für meinen Kummer? Auf meine Gefühle kommt's natürlich nicht an. Nächsten Monat treffen wir uns vor Gericht, und die Medien werden jubeln.«
»Haben die Reporter denn Zutritt?«, fragte Mary Stuart entsetzt.
»Klar, die Gerichtssäle stehen der Presse und dem Fernsehen offen.«
»Wie grässlich!«
»Sag das dem Richter.« Tanya kreuzte ihre Fußknöchel und sah hinreißend aus. Zum Glück waren keine Fans in der Nähe, die sie bewunderten, und sie genoss ihre Privatsphäre. Zu Tom hatte sie volles Vertrauen. Er arbeitete seit Jahren für sie und war die personifizierte Diskretion. Nicht einmal seiner Frau und seinen vier Kindern verriet er, bei wem er angestellt war. »Greyhound«, behauptete er. Er verehrte seine Chefin, und um sie zu schützen, würde er alles tun.
»Wenn ich so leben müsste wie du, würde ich in zwei Tagen durchdrehen«, bemerkte Mary Stuart.
»O nein, du würdest dich genauso dran gewöhnen wie ich. Immerhin gibt's viele Höhepunkte, und davon ist man anfangs überwältigt. Die Nachteile nimmt man erst nach einiger Zeit wahr, und dann ist's zu spät, um auszusteigen. The show must go on. Ob sich's wirklich lohnt, weiß ich nicht genau. Manchmal zweifle ich daran, aber meistens liebe ich meinen Job – die Musik, die Songs …«
Tanya ging in die Küche, um Popcorn zu rösten. Am späteren Nachmittag machten sie Sandwiches, und sie brachte dem Fahrer eines und eine Tasse Kaffee. Einmal hielten sie an und vertraten sich die Beine. Sie plauderten und lasen. Während Tanya sich ein Video anschaute – einen Film, den sie von der Academy bekommen hatte und der noch nicht in den Kinos lief -, schlief Mary Stuart. Nach dem emotionalen Aufruhr der letzten Wochen fühlte sie sich erschöpft. Als sie erwachte, dachte sie wieder an ihre Entscheidung. Sicher würde Alyssa sich furchtbar aufregen, wenn sie davon erfuhr. Wie Bill reagieren würde, wusste Mary Stuart nicht. Sie glaubte, er würde erleichtert aufatmen. Wahrscheinlich hatte er dieses Ziel monatelang angestrebt und nicht gewagt, ihr das zu gestehen. Wenn er aus London zurückkam, Ende August oder Anfang September, wollte sie mit ihm reden. In der Zwischenzeit würde sie Zukunftspläne schmieden. Nach den vierzehn Tagen auf der Ranch würde sie noch eine Woche bei Tanya in L.A. verbringen, dann ein paar Wochen bei Freunden in East Hampton. Ein interessanter Sommer …
»Wo sind wir?« Mary Stuart setzte sich auf und schaute aus dem Fenster. Obwohl sie geschlafen hatte, war ihre Frisur immer noch untadelig. Tanya neigte sich zu ihr, zerzauste ihr Haar wie damals im College, und beide lachten.
»In Nevada. Stu, jetzt siehst du wie eine Zwölfjährige aus, und ich hasse dich. Um so was einigermaßen hinzukriegen, laufe ich dauernd zu meinem plastischen Chirurgen. Und bei dir ist alles reine Natur. Einfach widerlich!« Aber Tanya wusste, dass sie keinen Grund hatte, an ihrer Schönheit zu zweifeln. »Übrigens«, fügte sie beiläufig hinzu, »letzte Woche habe ich mit Zoe telefoniert. Einfach unglaublich, was sie in ihrer Aids-Klinik in San Francisco leistet.« Mary Stuart stimmte ihr zu, und Tanya meinte, es sei zu schade, dass Zoe nie geheiratet habe.
»Kein Wunder«, erwiderte Mary Stuart nachdenklich.
»Warum? Sie hatte viele Freunde.«
»Ja. Aber die Waisen in Kambodscha, die hungernden Kinder in Äthiopien und die Flüchtlinge aus Entwicklungsländern waren ihr immer wichtiger. Die Gründung ihrer Aids-Klinik überrascht mich nicht, das passt zu ihr. Nur eines finde ich erstaunlich – diese Adoption. Ich hatte nie erwartet, dass sie sich Kinder wünschte. Dafür ist sie zu idealistisch. Klar, für eine gute Sache sich aufopfern, aber Windeln wechseln und Babyspucke wegwischen …« Tanya lachte. Mit diesen Worten traf ihre Freundin
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