Die Ranch
nun mal.«
»Sicher gibt's eine Möglichkeit, das zu ändern. Viele Filmstars kaufen Ranches, wo sie ungestört leben. Nehmen Sie sich ein Beispiel dran, Miss Tanya.«
»Nennen Sie mich nicht so. Tanya genügt.« Nun waren sie fast Freunde geworden, und genauso würde es Mary Stuart mit Hartley ergehen, die sich offen und ehrlich über ganz persönliche Dinge unterhielten. Die Berge schienen einen Zauber auszuüben, der zwischenmenschliche Beziehungen sehr schnell vertiefte.
Auch Hartley sprach ernsthaft mit Mary Stuart und entschuldigte sich, falls er am letzten Abend seine Grenzen überschritten hatte. Nach der Rückkehr in seinen Bungalow hatte er befürchtet, er wäre aufdringlich gewesen und hätte ihr Angst eingejagt. Obwohl sie einander noch nicht lange kannten, fühlte er sich ihr sehr nahe. Aber sie teilte seine Emotionen, und er hatte sie keineswegs erschreckt, sondern getröstet. Ein Jahr lang war sie von keinem Mann umarmt worden, und sie sehnte sich nach Zärtlichkeit. Das gestand sie ihm nicht. Aber während des gemeinsamen Ausritts spürte er, was in ihr vorging, und atmete erleichtert auf. Strahlend lächelten sie sich an, als die Pferde am Ufer eines Bachs stehen blieben, um zu trinken.
»Den ganzen Morgen dachte ich nur an unser Wiedersehen«, erklärte er und grinste jungenhaft. »So war mir jahrelang nicht zu Mute. Ich habe nicht einmal Lust zu arbeiten. Und das kommt selten vor.« Ohne Rücksicht auf seine Stimmungen saß er täglich am Computer. Nur während Margaret im Sterben gelegen hatte, war er unfähig gewesen, auch nur eine Zeile zu verfassen.
»Ja, ich weiß, was Sie empfinden. Sonderbar – man denkt, das Leben wäre vorbei, und plötzlich beginnt es noch einmal von vorn. Manchmal hält einen das Schicksal zum Narren. Wenn man sich einbildet, man hätte das Glück gepachtet, wird's einem genommen, und wenn man glaubt, man hätte alles verloren, findet man etwas unendlich Kostbares.« Nachdenklich betrachtete sie die Berge.
»Ich fürchte, der Allmächtige hat einen etwas eigenartigen Humor«, bemerkte er, während die Pferde weitertrabten, und Mary Stuart lachte. »Was machen Sie denn so in New York?«, fragte er und hoffte, bald einiges mit ihr gemeinsam zu unternehmen. Zu seiner Freude hatte sie ihm erklärt, nach dem Urlaub würde sie eine Woche bei Tanya in L.A. verbringen und dann nach New York zurückkehren. Er selbst würde in Seattle etwas Geschäftliches erledigen, für ein paar Tage nach Boston fliegen und ungefähr zur gleichen Zeit wie Mary Stuart in New York eintreffen. »Gehen Sie gern ins Theater?«
Über dieses Thema unterhielten sie sich sehr lange. Hartley war mit einigen Dramatikern befreundet, die er ihr vorstellen wollte. Mit allen seinen Freunden würde er sie bekannt machen. Er hatte so viel zu erzählen, so viele Fragen zu stellen, und wieder einmal verging die Zeit wie im Flug. Als sie zu Mittag in den Korral ritten, wurden sie plötzlich von einem Pferd überholt, an das sich eine kleine Gestalt klammerte, das geradewegs auf den Stall zustürmte. Sofort galoppierte Gordon hinterher. Aber bevor er das Kind erreichte, flog es in hohem Bogen durch die Luft und schlug auf steinigem Boden auf. Ein roter Cowboyhut lag neben ihm. Benjamin. Blitzschnell schwang sich Mary Stuart aus dem Sattel und rannte zu ihm, dicht gefolgt von Hartley.
Der Junge war bewusstlos. Besorgt legte sie ihre Wange an seine Lippen und nahm nur schwache Atemzüge wahr. »Holen Sie Zoe!«, schrie sie Hartley an. Dann wandte sie sich wieder dem kleinen Jungen zu. Sie wagte nicht, ihn zu bewegen, weil sie befürchtete, dass seine Wirbelsäule gebrochen sein könnte. Sekunden später kniete Zoe neben ihr.
Vorsichtig klopfte sie auf seine Brust, und er begann etwas kräftiger zu atmen. Sie hob seine Lider an, doch seine Augen schienen nichts zu sehen. »Rufen Sie eine Ambulanz, Gordon, und erklären Sie, hier würde ein bewusstloser kleiner Junge liegen, mit einer Kopfverletzung und vermutlich mehreren Frakturen. Er atmet, aber sein Herz schlägt unregelmäßig. Offenbar ein Schock. Er muss so schnell wie möglich ins Krankenhaus.«
In diesem Moment kamen die beiden anderen Ärzte angelaufen, die soeben von den Pferden gestiegen waren. Mary Stuart kauerte immer noch neben Benjamin und hielt seine Hand, obwohl sie wusste, dass er nichts spürte. Während Zoe seine Gliedmaßen abtastete, öffnete er plötzlich die Augen und begann zu weinen. »Ich will zu meiner Mommy!«
»So gefällst du
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