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Die Rastlosen (German Edition)

Die Rastlosen (German Edition)

Titel: Die Rastlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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aussprechen konnte… Ich finde mich schrecklich. Ich finde mich wirklich schrecklich. Geradezu unwürdig.«
    »Nein. Das sind Sie garantiert nicht, Myriam, nie im Leben. Niemand hat ihn gezwungen, zum Militär zu gehen. Das hat er sich selbst zuzuschreiben.«
    »Was ist das für eine elektrisierende Wirkung, von der Sie gesprochen haben?«
    »Die elektrisierende Wirkung, von der ich gesprochen habe?«
    »Ja.«
    Er spürte, wie sein Mund austrocknete. Draußen war es kalt, drinnen genauso, denn er hatte den Fiat immer noch nicht angelassen. Seine Nase war eiskalt.
    »Ich habe ein bisschen Angst, dass wir hier nicht mehr rauskommen«, sagte er. »Ich glaube, wir sollten uns auf den Weg machen. Mir ist das mal passiert. Zum Glück war es Sommer.«
    »Ich kann den Sommer wirklich kaum erwarten.«
    »Alles wird gut. Die Knospen sprießen. Es ist grün, wenn man nach oben schaut.«
    Die Begegnung wurde langsam irreal. Sie hätten genauso gut mitten im Kosmos schweben können, in völliger Finsternis, irgendwo im absoluten Nichts, es hätte keinen Unterschied gemacht.
    Sein Herz schlug jetzt in etwa so, als würde er in aller Ruhe am Seeufer joggen. Keine Studentin hatte jemals eine solche Wirkung auf ihn gehabt. Karen Dalton sang Every Time I Think of Freedom.
    »Ich liebe die Stimme dieser Frau«, erklärte er.
    Sie nickte. Dann nahm sie seine Hand und drückte sie an ihre Wange.
    Das waren die Momente, sagte er sich, in denen man bedauerte, dass man keinen Audi A8 besaß – mit Lederausstattung.
    Nun fühlte es sich an, als würde er zügig laufen, mit einem Puls von etwa hundertvierzig. Obwohl er sich nicht bewegte. An sich ein erstaunliches Phänomen.
    Sie berührte die Hand mit ihren Lippen und blickte zu ihm auf. »Ist Ihnen das unangenehm?« Er schüttelte sanft den Kopf. Sie war weder seine Mutter noch seine Schwester. Sie konnte ruhig weitermachen. Für alles Weitere bedauerte er lediglich den mangelnden Komfort des Fiat, ein Umstand, der dieser Frau nicht würdig war, aber man hatte eben nicht immer die Wahl, und viele Beziehungen scheiterten wegen eines Fehlstarts, eines ungeeigneten Orts usw. schon im Anfangsstadium. Da konnte man nicht viel dagegen ausrichten. Es war wie eine riesige Lotterie.
    Er dachte kurz an den Leutnant, der zwischen den Felsen einer steinigen Wüste umherirrte und betete, dass er nicht in einen Hinterhalt geriet, dass er am Leben blieb.
    Er kam spät nach Hause. Gegen zwei Uhr morgens. Wenn er nachts mit seinem röhrenden Gefährt durch den stillen Wald fuhr, fühlte er sich, als säße er auf einer riesigen Kettensäge und würde die Welt entzweischneiden und unterwegs jeden einzelnen Hasen, jede noch so kleine Maus, auch den letzten Raben und das winzigste Würmchen aufwecken. Er hatte einen Großteil seiner Auspuffanlage verloren, das hatte er nachgeprüft, aber selbst wenn er Anlauf nahm, den Motor abstellte und das letzte Stück bis zum Haus rollend zurücklegte, hörte sie ihn fast immer. Oder sie wartete auf ihn, weil sie sich Sorgen machte. Oder sie schlief nur mit einem Auge.
    »Weißt du, wie spät es ist?«, fragte sie, als er gerade direkt in sein Stockwerk hinaufgehen wollte.
    Sie hatte mit der Fernbedienung das Licht in der Diele angemacht, so dass sie ihn mit dem in der Luft erstarrten Fuß und einer Hand auf dem Geländer erwischte.
    Sie knipste auch die Beleuchtung im Wohnzimmer an und dimmte sie mit demselben Gerät. »Also bitte, wo hast du dich herumgetrieben?«
    Er wedelte mit den Zigaretten und den Medikamenten vor ihrem Gesicht herum. »Es ist alles da«, sagte er. »Ich habe alles mitgebracht, was du wolltest.«
    Sie stürzte sich auf die Stange Zigaretten und riss sie hektisch auf. »Weißt du, wie spät es ist, hm? Es gibt nicht eine verdammte Zigarette in diesem beschissenen Haus. Aber das ist dir völlig egal, klar. Du hast ja auch nur sieben oder acht Stunden gebraucht.«
    »Beruhige dich. Hör mir mal zu. Ob du’s glaubst oder nicht, ich saß auf dem Parkplatz des Supermarkts fest. So einfach ist das. Dieser Poller schoss aus dem Boden, und kein Durchkommen mehr. Ich saß die ganze Zeit da oben fest. In der Falle. So einfach ist das zu erklären.«
    »Aufregend«, meinte sie bissig. »Wirklich aufregend.«
    »Ich hatte mein Telefon nicht dabei. Sonst hätte ich dich angerufen. Ich wusste ja, dass du auf mich wartest. Ich bin schließlich auch Raucher. Ich kann mir das lebhaft vorstellen. Glaubst du, ich würde dich hängenlassen? Glaubst du, ich wusste

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