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Die Rastlosen (German Edition)

Die Rastlosen (German Edition)

Titel: Die Rastlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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reicher Mann und deren zukünftiger Liebhaber Besitzer des kleinsten Autos der Welt war. Gerade als er sich hinüberbeugte und die Tür öffnen wollte, kam hinter ihr die Kellnerin heraus, um endlich ihre Zigarette zu rauchen.
    Er biss die Zähne zusammen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen kam seine Hand von der ursprünglichen Bahn zum Türgriff ab und landete auf dem Knopf, der den Wagenschlag verriegelte. Sein Blick kreuzte den der Kellnerin, die ihr Feuerzeug anzündete, während sich Annies Gesicht unmittelbar vor ihm zu einer furchterregenden Grimasse verzog.
    Er richtete sich wieder auf und drückte das Gaspedal durch. Er machte sich aus dem Staub, und zwar im Eiltempo. Er vermied es, in den Rückspiegel zu sehen – Annie hat sicher kein strahlendes Lächeln aufgesetzt, dachte er, während er brutal hochschaltete.
    Sie tat ihm leid. Es würde sicher nicht leicht werden, ihr eine stichhaltige Erklärung dafür zu geben, warum er ihr so übel mitgespielt hatte. Er würde wahrscheinlich Zugeständnisse bei den Nachhilfestunden machen müssen, um sie zu beschwichtigen.
    Jeder Job muss gründlich ausgeführt werden. Man muss seine Sache gut machen. Er hatte nicht die Absicht, so einen grotesken Fehler zu begehen. Wegen dieses unsinnigen und unzumutbaren Gesetzes, das es Dozenten verbot, mit ihren Studentinnen zu schlafen, galt es unbedingt im Verborgenen zu bleiben, und daran hielt er sich, da machte er keine Ausnahmen. Jeder Job musste gründlich ausgeführt werden. Nichts durfte ans Licht kommen. Jeder musste auf seine eigene Sicherheit achten.
    Während er zügig zum Haus hochfuhr, hörte er im Radio, dass es erneut Zusammenstöße in Afghanistan gegeben hatte – weitere Soldaten waren in weiteren Hinterhalten entlang irgendwelcher unklarer Grenzen gefallen –, und dachte sofort an Myriam.
    Er hatte noch nie eine Beziehung zu einer Frau gehabt, die älter als sechsundzwanzig war. So einfach war das. Er empfand das nicht als besondere Leistung. Es hatte sich schlichtweg keine Gelegenheit ergeben. Und er hatte sie nicht gesucht. Seine Schwester machte ihm das Leben schon schwer genug. Marianne machte alles schon schwer genug.
    Nicht, dass Myriam seine Erwartungen nicht erfüllt hätte, ganz im Gegenteil. Nicht nur Frauen hatten besseren Sex, wenn sie Gefühle für ihren Partner empfanden. Er hegte zwar bestimmt noch keine Gefühle für sie, das wäre übertrieben gewesen, aber die Nummer auf der Rückbank seines engen Wagens hatte ihn trotz der akrobatischen Verrenkungen und der schwierigen Umstände buchstäblich verzaubert, und er war immer noch richtig durcheinander, wenn er daran zurückdachte – seine Ejakulation war besonders lang und beredt gewesen, was wirklich sehr ungewöhnlich war.
    Im schwachen Licht seiner betagten gelben Scheinwerfer arbeitete sich der Fiat durch die Tannen und Kastanienbäume nach oben. Die letzten Schneereste waren jetzt geschmolzen, leichter Nebel lag über den gerodeten Gebieten – den Wiesen, den Häusern, den Schaf- und Kuhweiden, den Holzstapeln und Feldern, und entlang der Straße auf den Brachen und Hängen, die zum See hin im Dunkel verschwanden.
    Außerhalb der Stadt zu wohnen war ein Segen – auf diese Art konnte man den Kopf über Wasser halten und durchatmen. Marianne und er waren in diesem Haus zur Welt gekommen. Ihr Vater war an derselben Universität Professor gewesen. Er hatte das Haus Anfang der fünfziger Jahre gekauft, als die Immobilienpreise noch nicht in aberwitzige Höhen geklettert und Eigenheime auch für Normalsterbliche noch erschwinglich waren. Wie es hieß, hatte ihre Mutter dort ihre schönsten Jahre verbracht – bis sie zuerst mit Marianne und gleich danach mit ihm schwanger wurde. Ihr Vater gab ihnen zu verstehen, dass ihre Mutter nicht immer so gewesen war, wie sie sie kannten. Dabei hielt er Marc auf einem Knie und Marianne auf dem anderen. Dann vergoss er heiße Tränen, weil er nicht eingegriffen hatte, weil er wieder einmal zu schwach gewesen war, ein totaler Versager.
    Das Auto von Richard Olso war in der Auffahrt geparkt. Er hatte einen roten Alfa Romeo. Der Wagen passte perfekt zu ihm. Mit dem ersten Sonnenstrahl klappte er das Verdeck zurück und setzte eines dieser lächerlichen Käppis auf. Wenn er vorbeifuhr, prusteten die Mädchen los – hinter vorgehaltener Hand, denn niemand hatte Lust, sich mit dem Leiter des Fachbereichs Literatur anzulegen, während er einfältig grinsend und mit heraushängendem Ellbogen über den Campus

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