Die Ratte des Warlords (German Edition)
immer fragen", riet er. "Es ist vor zwei Wochen passiert, einen Tag nachdem Sie mich eingeladen hatten." Er sah kalt auf den Jüngling herab. "Kommen Sie nie wieder auf die Idee, in solchem Ton mit einem wie mir zu sprechen, kapiert?"
Er hatte sehr ruhig gesprochen, aber die Drohung war unverhüllt durchgeklu ngen. Der Mann sah ihn perplex an, in seinen Augen war Angst. Kepler lächelte dünn, sammelte seine Bewerbungsunterlagen ein und ging.
Zumindest hatte er neue Erkenntnisse gewonnen, das war wenigstens etwas.
Das Gespräch bei der Firma in Rheine eine Woche später verlief ähnlich. A llerdings stand Kepler schon viel früher als bei der ersten Firma kommentarlos auf und ging hinaus, nachdem er eine Kopie der Anzeige auf den Tisch des Personalchefs hatte fallen lassen. Danach machte er sich auf den Weg nach Hause.
Er war enttäuscht. Von sich selbst, von der Welt, einfach von allem. Er ve rwünschte sich dafür, die Tat des Majors so sehr zu Herzen genommen zu haben, und bereute seine Entscheidung, das KSK zu verlassen.
Während er an den L äden der Innenstadt vorbeischritt, überlegte er ernsthaft, nach Calw zurückzukehren. Dann blieb er vor einem kleinen Fenster stehen. Es war kein Schaufenster, hier wollte man nichts verkaufen. Hier wollte man Geld.
Im Fenster hing ein Plakat mit einem vor Hunger aufgedunsenen kleinen schwarzen Kind. Eklige Fliegen krochen in seinen Augenwinkeln, die Lippen waren aufg eplatzt. Die Aufschrift auf dem Plakat fragte, ob Kepler helfen wolle.
Er setzte zum Weite rgehen an, da fiel sein Blick auf ein kleineres Plakat.
Helfen Sie vor Ort , stand darauf, persönlich, hautnah, mit eigenen Händen .
Rechts neben dem Fenster stand eine Tür offen. Kepler warf einen Blick auf seine Bewerbungsmappe . Neben der Tür stand eine Mülltonne. Kepler ließ die Mappe in die Tonne fallen und lockerte seine Krawatte, bevor er eintrat.
Eine recht ausgemergelte Frau mittleren Alters, halb Europäerin und halb A frikanerin, die an einem Tisch saß, hob müde den Blick. Sie hatte schwarze Ringe unter den Augen und schaute Kepler recht misstrauisch an.
"Tag", grüßte er.
"Hallo", erwiderte die Frau trocken. "Was kann ich für Sie tun? Wollen Sie nur einmalig spenden oder wollen Sie eine Patenschaft für ein Kind übernehmen?"
Sie ging flott zur Sache. Es war kein Wunder, wenn satte Menschen sich die Schauergeschichten über Afrika anhörten, mi tleidig seufzten und wieder gingen, meistens ohne einen Cent da zu lassen. Kepler schüttelte den Kopf.
"Weder noch ."
"Was wollen Sie d ann?", fragte die Frau genervt.
Ihr war es deutlich anzumerken, dass sie Besseres zu tun hatte, als irgendj emanden mit Geschichten über Afrika zu unterhalten. Kepler deutete zur Tür.
" Da steht, Sie suchen Leute? Für welche Art Arbeit?"
D ie Frau sah ihn überrascht an.
"Was können Sie denn?"
"Kochen kann ich schlechter als bescheiden", antwortete Kepler, "aber ich kann LKW fahren – das allerdings recht gut... Ich kann auch ziemlich gut mit Werkzeug umgehen." Er dachte nach, aber mehr war da nicht. Und Scharfschützen suchten die hier wohl kaum. "Das ist alles", schloss er.
Die Frau lächelte zum ersten Mal. Zwar etwas widerwillig, aber immerhin.
"Sie wollen wirklich pe rsönlich helfen?", vergewisserte sie sich.
Trotz des Lächelns klang sie misstrauisch. Kepler zuckte die Schultern.
"Ich bin aus der Armee ausgeschieden , habe keinen Job, aber massig Zeit."
"Und Sie wollen wirklich nach Afrika?", hakte die Frau noch ei nmal nach.
"Soll ich wieder gehen?", fragte Kepler und begann sich umzudrehen.
"Warten Sie", beeilte die Frau sich zu sagen. "Was wo llen Sie machen?"
"Mit Kranken, Verletzten und mit Kochen will ich nichts zu tun haben", antwortete Kepler deutlich. "Alles andere geht."
"LKW fahren, sagten Sie?", zog die Frau nachdenklich und blickte fragend zu ihm auf. "Wie wäre es mit Gütertransport?"
"Okay", stimmte Kepler zu ohne nachzudenken.
" Ich gebe Ihnen Unterlagen mit." Die Frau lächelte ihn an, aber nach wie vor irgendwie zögernd. "Sie können sie in Ruhe durchlesen und dann entscheiden."
" Nein, wir füllen diese Unterlagen gleich aus", widersprach Kepler.
Er hatte sich schon entschieden. Sicherheitsdienst fiel zumindest in der näheren Umgebung aus, das LKW-Fahren war in Deutschland ein brutaler Job. Außerdem fiel ihm die Decke auf den Kopf. Und seit dem Entschluss nach Afrika zu gehen, fühlte er sich befreit. Der Druck, sich im zivilen Leben beweisen zu müssen, war
Weitere Kostenlose Bücher