Die Ratten im Maeuseberg
hier schein ich ja
bestens bedient zu werden. Mit Geheimnissen.“
„Ich sag noch mal: das ist ‘ne
ganz heiße Sache... So, jetzt wissen Sie alles.“
Ich brauste auf:
„Was? Willst du mich
verarschen? Hab ich richtig gehört? Ich weiß alles, hm? Also wirklich, du bist
überhaupt nicht kompliziert.“
„Über mich wissen Sie alles. So
meinte ich das. Hören Sie...“
Er flehte mich beinahe an.
„...Ich darf mich gar nicht in
Paris aufhalten. Sie wissen, wo und wovon ich lebe. Wenn sie wollen, können Sie
mich verpfeifen. Ich hab Wert darauf gelegt, Ihnen einen Vertrauensbeweis zu
liefern. Einen besseren gibt es nicht, oder? Also, seien Sie nett und haben Sie
Geduld. Für den Augenblick muß das genügen. Werd Ihnen schon alles erklären...
später... deswegen hab ich Sie ja angerufen... Aber nicht hier. Hab meine
Gründe dafür. Sehen Sie mich nicht so zweifelnd an, verdammt! Ich bin nicht
bekloppt. Also, ich ruf Sie an. Spätestens morgen.“
„Um eine neue Verabredung zu
treffen?“
„Äh...“
„Und wenn ich keine Lust mehr
hab zu kommen?“
„Ich komme zu Ihnen.“
„Hättest du auch sofort machen
können. Wär einfacher gewesen für alle Beteiligten.“
„Ich wollte Ihr Vertrauen
gewinnen.“
Wie der Ministerpräsident!
„Weiß nicht, ob dir das
gelungen ist.“
Er zuckte die Achseln.
„Wär schlimm für mich. Aber Sie
wissen nicht, was Ihnen entgehen würde. Ein sauberer Schnitt bei ‘ner sauberen
Sache!“
„Doch, doch. Mehrere
Millionen.“
„Genau.“
„Also, jetzt reicht’s“, beendete
ich das Geplänkel. „Die besten Witze sind die kürzesten. Aber den hier kann
sich die Königin von England als Abendkleid anziehen!“
Ich stand auf. Sollte ich ihm
erzählen, daß ich von der Erpressung wußte? Wegen dieser Sache hatte er mich
bestimmt nicht hierhergelockt. Bei seinen krampfhaften Bemühungen, sich selbst
aus der Scheiße zu ziehen, hatte er sicher mehrere Eisen im Feuer. Heiße Eisen,
versteht sich. Wenn er wüßte, daß ich was wußte, würde er wohl kaum mehr
verraten. Besser, ich wartete ab.
„Also, ich geh jetzt“, sagte
ich.
Er bückte sich und zog einen
vergammelten Karton unter der Flohkiste hervor.
„Nehmen Sie die Latschen mit“,
sagte er.
„Ach ja, das Alibi! Du machst
mir Spaß. Hinterher fehlen sie dir. Aber gut, du hast es so gewollt.“
Ich klemmte mir den Karton
unter den Arm.
„Salut.“
„Salut“, erwiderte er.
Er brachte mich zur Tür. War ja
nicht weit. Er drückte auf den Knopf fürs Minutenlicht. Wir gaben uns
schweigend die Hand, und ich machte mich aus dem Staub.
* * *
Im Treppenhaus traf ich keine
Menschenseele. Eine beeindruckende Ruhe herrschte im ganzen Haus. Oder es
schien mir nur so.
Draußen das gleiche Bild. Der
Mond stand käsegelb am Himmel und schickte sein giftiges Licht auf die
Szenerie.
Ich überquerte die Straße. Auf
der anderen Seite drückte ich mich in den Schatten und beobachtete die Fassade
der Bruchbude. Dahinter hausten unter anderem eine hübsche, aber besoffene
Frau, die bestimmt so einige Wünsche erfüllen konnte, und ein vorbestrafter
Einbrecher, der so einiges zu wünschen übrigließ.
Meine Beobachtung führte zu
nichts. Nur ein beruflicher Reflex, nichts weiter. Automatisch, ohne Bedeutung.
Das Minutenlicht im Flur ging wieder aus, und ich ging nach Hause, an einen
gemütlicheren Ort. In mein Badezimmer, zum Beispiel.
Nach ein paar Metern öffnete
ich den Schuhkarton. Eigentlich hatte ich etwas anderes erwartet als
ausgelatschte Schuhe. Aber von wegen! Ich schleppte tatsächlich die Gurken des
edlen Spenders mit mir rum. Man konnte sie sogar noch tragen. Wollte ich aber
nicht. Also nahm ich mir vor, sie über den nächsten Bretterzaun zu werfen.
Da sah ich zwei Beine, die aus
einer Häusernische ragten.
Ich trat näher.
Nein, das war keine Leiche. Nur
ein sturzbesoffener Clochard. Eine leere Literflasche war in den Rinnstein
gerollt. Eine zweite hielt der Clochard an seine Brust gedrückt. Halbnackt, die
Hose unkeusch offen, Jacke und Mantel als Kopfkissen zu einem Knäuel gerollt.
Der Kopf allerdings lag daneben. So schlief der Clochard, wie ein Tier.
Ferrands Schuhe waren im Vergleich zu seinen der reinste Luxus. Ich schenkte
sie dem armen Kerl.
Zufrieden mit mir, ging ich
weiter.
Bei Ferrand hatte ich
absichtlich nicht geraucht. In dieser Stinkbude konnte man sowieso schon kaum
atmen. Jetzt zog ich meine Pfeife aus der Tasche, stopfte sie, zündete sie
an...
und kehrte
Weitere Kostenlose Bücher