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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Wahrscheinlichkeit am
größten sei, Marie alleine zu erwischen.“
    Hélène schüttelte zweifelnd den
Kopf.
    „Aber sie wird doch schreien,
als sie den fremden Mann sieht!“
    „Schon möglich“, sagte ich.
„Weniger vor Angst als vor Überraschung. Aber Courtenay hört in seinem
schalldichten Atelier keinen Ton. Marie ist eine... na ja... eigenartige Frau.
Und der Kerl nicht nur ein altes Arschloch, sondern auch ihr letzter Liebhaber.
Courtenay hat es treffend gesagt: Seit achtundvierzig Stunden hat sie keinen
Mann mehr gehabt. Bestimmt länger, als sie’s aushalten kann. Wenn Sie nicht verstehen
wollen, wie ich das meine, dann lassen Sie’s bleiben. Es haut trotzdem hin.“
    „Alle Männer sind Schweine“,
zischte Hélène.
    „Ich bin anders als alle!“
protestierte ich.
    „Da bin ich mir nicht so
sicher... Also, Sie meinen, der Kerl hat sie rumgekriegt?“
    „Er hat sie mit Schmus besoffen
gemacht und überredet, mit ihm abzuhauen. Sie sind zu der halb stillgelegten
Strecke gegangen, in die Nische vor dem Tunnel. Von dort aus ist Marie
Courtenay dann unter die Räder gekommen. Alles war vorbereitet, zubereitet, bis
ins kleinste geplant. Wer sich das Ganze ausgedacht
hat, ist entweder superschlau oder hundertprozentig verrückt...“
    „Oder beides. So was ist gar
nicht so selten. Aber was ich nicht verstehe...“
    Ich schnippte mit den Fingern.
    „Dabei fällt mir mein
Psychiater ein.“
    „Welcher Psychiater?“
    „Dalaruc. Der Psychiater Jean
Dalaruc.“
    Ich erklärte ihr, wer Dalaruc
war und wie ich seine Bekanntschaft gemacht hatte. Dann kam ich wieder auf den
Tunnel zurück:
    „Der Kerl tötet sie in der
Mauernische. Wahrscheinlich erwürgt er sie. Das macht nicht soviel Lärm.
Höchstens ein ‘ chéri, chéri’, falls sie das Gefühl hatte, er wollte ihr den Hals streicheln.“
    „Bitte, verschonen Sie mich mit
Einzelheiten!“
    „Sie haben recht, chérie. Schließlich war ich nicht dabei. Sie ist also tot. Er wartet auf den Zug und
stößt sie vor die Lok.“
    „Und wie kann er ungesehen
entkommen?“
    „Durch ein Loch in der
Böschung. Oder er mischt sich einfach unter die Neugierigen, die sofort zur
Stelle sind.“
    „Und was ist mit Ihrem Röntgenblick?“
    „Röntgenblick! Sie machen mir
Spaß. Zu dem Zeitpunkt hab ich doch auch noch an einen Selbstmord geglaubt, wie
alle. Marie Courtenay war nicht grade ‘n Muster an Ausgeglichenheit. Und die
Ereignisse der letzten Tage haben sie bestimmt umgehaun. Da kann man schon mal
an Selbstmord denken!“
    „Und was hat Sie vom Gegenteil
überzeugt?“
    „Der Zettel.“
    „Der Zettel?“
    „In ihrer Jackentasche. Davon
steht nichts in den Zeitungen. Niemand ist für meinen Tod verantwortlich.
Ich schäme mich. Ich habe den Mann in der Rue Blottière getötet. Der Flic aus dem 14., der helle
Kopf, hat mir die Augen geöffnet. , Sie bringt einen Kerl und danach sich selbst
um ’, hat er gesagt. Und: , Der Gerechtigkeit ist Genüge getan ’. Das hat mich ins Grübeln
gebracht.“
    Hélène verzog das Gesicht.
    „Dann hat nicht sie den Zettel
geschrieben?“
    „Bestimmt nicht.“
    „Das werden die Flics bald
rauskriegen.“
    „Hm... Die Schrift wird ähnlich
sein. Und wenn man berücksichtigt, daß sie völlig durcheinander war...“
    „Also nachgemacht?“
    „Ja. Vergessen Sie nicht, daß
Marie Courtenay alles in der Rue Blottière gelassen hatte, Handtasche und
Klamotten. Irgendwo, neben Fotos und Ausweisen, war mit Sicherheit eine
Schriftprobe der armen Frau. Ein Brief oder so was Ähnliches.“
    „Tja... Und als Sie den Zettel
mit der Botschaft gesehen hatten...“
    „Vor allem die Bemerkung ,Der Gerechtigkeit ist Genüge getan“ hat mir den
Floh ins Ohr gesetzt. Hab mir gesagt: Jetzt wird Ferrands Leiche bald entdeckt
werden. Und wie’s der Zufall so will, veranlaßt ein Araber Kinder, in der Kohle
rumzuwühlen.“
    Wir standen jetzt vor der
Pyramide zum Gedenken an die Mission Flatters, die von den Touaregs 1881
massakriert wurde. Paßte gut zu dem Araber und seinem Gemetzel. Wir setzten uns
auf eine Bank.
    „Das klingt alles nicht sehr
einleuchtend“, sagte Hélène. „Weder einleuchtend noch vernünftig. Die
Verbrecher beseitigen Ferrand und verscharren ihn unter der Kohle. Da kann die
Leiche monatelang liegen. Angenommen, Madame Courtenay ist tatsächlich eine
unbequeme Zeugin und die Verbrecher wollten sie zum Schweigen bringen. Sie
hätten doch den Selbstmord inszenieren können, ohne Ferrands Leiche

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