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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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ausgraben
zu lassen.“
    „Das Vorgehen ist ziemlich
verdreht, aber nicht unlogisch. Sie wollen, daß ,der Gerechtigkeit Genüge getan ist“. Vor allem wollen sie zwei Fliegen mit einer
Klappe schlagen: die Zeugin und die Leiche ein für allemal loswerden.
Die verrückte Nymphomanin hatte einen breiten Rücken. Ihr konnte man den Mord
bequem aufbürden. Der soziale Unterschied zwischen Mörderin und Opfer zählte
nicht. Madame Courte-nay war verdächtig genug. Faroux hat’s mir eben bestätigt:
Sie wußte von dem Toten in der Rue Blottière, als die Polizei noch keine Ahnung
hatte. Ja, die wirklichen Mörder wollten, daß der Gerechtigkeit Genüge getan
war und ich dem Zirkus auf den Leim ging. Denn der Selbstmord beantwortete alle
offenen Fragen. Die Doppelmörder wissen, daß ich meine Nase in ihre
Angelegenheiten gesteckt habe, ohne daß ich genau weiß, worum’s geht. Ich soll
mich mit der angebotenen Lösung zufriedengeben. Und Courtenay hat auch ‘ne
Rolle: Er soll seine Beziehungen spielen lassen, damit nicht zuviel Staub
aufgewirbelt wird.“
    Hélène mußte lachen.
    „Dann hätten die Gangster die
Komödie extra für Sie in Szene gesetzt?“ fragte sie. „Wie bescheiden!“
    „Ob ich bescheiden bin,
interessiert hier überhaupt nicht“, gab ich zurück. „Die Sache, um die sich’s
dreht, ist es jedenfalls nicht. Ferrand hat von mehreren Millionen gesprochen.
Und je mehr ich mitkriege, desto mehr bin ich davon überzeugt, daß er richtig
lag.“
    „Demnach wären die wirklichen
Mörder...“
    „Die Ratten von Montsouris.“
    Mit einer weitausholenden Geste
wies ich auf den stillen, wohlduftenden Park.
    „Oh! A propos Ratten von
Montsouris“, erinnerte sich Hélène. „Ich habe die Liste der Opfer zusammengestellt...“
    „Ach ja, die Liste. Und?“
    „In der letzten Zeit haben sich
die Ratten ziemlich zurückgehalten...“
    „Die hatten Wichtigeres zu
tun.“
    „Ich habe nur die letzten drei
Opfer ihrer Streifzüge aufgeschrieben. Da ist zunächst ein Monsieur Botrot, ein
alter Rentner in der Rue Beaunier. In dem Haus, in dem Charles Le Goffic von
der Académie Française und Lenin gewohnt haben. Ob gleichzeitig, weiß ich
nicht. Wär ziemlich komisch...“
    „In der Rue Marie-Rose gibt’s
noch so’n Schild. Dieser Wladimir Iljitsch hat sich vor 1914 hier im Viertel
anscheinend länger rumgetrieben.“
    „Ich mich auch. Hab mich über
die Leute informiert. Sieht nicht so aus, als hätte Monsieur Botrot ein
Geheimnis, das mehrere Millionen wert wäre. Nur ‘n paar Flaschen haben sie ihm
aus dem Keller geklaut. Übrigens scheinen sich die Ratten hauptsächlich für
Keller interessiert zu haben.“
    „Hm. Und weiter?“
    „Ein gewisser Raymond Hillas,
Rue de la Tombe-Issoire, nicht weit vom Ausgang der Katakomben. Zeichner und
Graveur mit denkbar schlechtem Ruf. Hab ihn gesehen. Ein übler Bursche.“
    „Hm... Hat vielleicht gar
nichts zu sagen.“
    „Das Vielleicht können Sie
ruhig weglassen, Chef. Das Ganze hat nicht das Geringste zu sagen. Nur der
letzte Einbruch hat vielleicht was zu sagen: eine kleine Villa in der Rue du
Dounanier. Sie kennen das Haus. Monsieur Gaudebert wohnt da.“
    Ein Spatz flog an meiner Nase
vorbei, ließ sich kurz auf der Pyramide nieder und flatterte weiter zu einem
großen Baum in der Nähe. Ein Blatt segelte auf den Kiesweg.
     
    * * *
     
    Langsam legte sich meine
Überraschung. Langsam nahm ich meine Pfeife aus dem Mund. Ich schüttelte mich,
als versteckte ich eine Horde Flöhe unter meinem Hemd.
    „Das hat gesessen“, bemerkte
Hélène lachend. „Kommen Sie zu sich!“
    Ich zuckte die Achseln und steckte
meine Pfeife wieder in den Mund.
    „Wir phantasieren, wie im
Traum“, sagte ich. „Dieser Dalaruc, der Psychiater, kann Ihnen das besser
erklären als ich. Bei Gaudebert ist eingebrochen worden? Na wenn schon. Das
kann jedem passieren. Ferrand muß nicht notwendigerweise bei ihm den Faden zu
den Millionen gefunden haben. Wenn er überhaupt auf seinen nächtlichen
Raubzügen was rausgekriegt hat! Das war nur ‘ne Hypothese, mehr nicht. Und
hätte Ferrand Gaudebert zu erpressen versucht, wenn noch ganz andere Schätze
bei ihm zu heben wären? Daß ich mich nicht an einer Erpressung beteiligen
würde, konnte er sich denken. Die Quelle der ,sauberen Sache“ sprudelte woanders. A propos Erpressung...“
    Ich erzählte Hélène, was mir an
dem Verhalten von Henriette Gaudebert aufgefallen war.
    „...Aber auch das“, fügte ich
hinzu, „ist

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