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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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wahrscheinlich Quatsch. In dem Erpresserbrief wurde ausdrücklich
der Name Ferrand genannt.“
    „Oh, Moment mal!“ rief Hélène.
„Sie haben Zavatter doch damit beauftragt, den Vermögensstand von Courtenay und
Gaudebert auszukundschaften. Hier sein Bericht...“
    Sie holte ein paar Zettel aus
ihrer Handtasche und las: „Auguste Courtenay, Eigentümer von...“
    „Courtenay interessiert mich
nicht mehr“, unterbrach ich sie. „Der Nächste bitte!“
    „Armand Gaudebert, ehemaliger
Oberstaatsanwalt. Früher ein hübsches Vermögen, jetzt keinen Sou mehr...“
    Ich stöhnte auf:
    „Sehen Sie? Dann werden wir bei
ihm die besagten Millionen auch nicht finden.“
    „...jetzt keinen Sou mehr, weil
die junge Frau, seine angebliche Gattin, wie keine zweite das Geld unter die
Leute bringt.“
    „Nicht ungewöhnlich.“
    „Ungewöhnlich dagegen“, sagte
Hélène genießerisch, „ist der Name der jungen Frau.“
    Ich sah meine Sekretärin
lauernd an. Jetzt gleich würde ich ‘n tolles Ding zu hören kriegen. Das spürte
ich. Um mein Herz zu schonen, ging ich in die Offensive.
    „Erzählen Sie mir nicht, sie
heißt Henriette Ferrand und ist die Tochter des Toten!“
    „Nicht ganz“, sagte Hélène.
„Sie ist die Tochter von Raoul Castellenot, einem Gangster, Freund von Ferrand,
wegen zweifachen Mordes zum Tode verurteilt.“

16.

Verbrechen aus Leidenschaft
     
    Ich sprang von der
knochenharten Bank auf und reichte Hélène galant die Hand.
    „Kommen Sie, mein Engel. Gehen
wir was trinken. Und Zeit zu essen ist es auch. Im Moment haben wir sowieso
nichts Besseres zu tun.“
    Wir gingen ins Chalet du Parc.
Bankette, Hochzeiten, Beerdigungen. Das ländliche Bistro befindet sich im Park,
an der Rue Gazan, mit Blick auf den See. Leider ist der Tümpel schon seit
Jahren zum Teil ausgetrocknet.
    „Jetzt darf ich Sie mal fragen,
wie Sie die trübe Brühe finden“, lachte Hélène.
    „Genug Salz und Pfeffer“,
erwiderte ich. „Ein Ex-Oberstaatsanwalt und die Tochter eines zum Tode
Verurteilten im selben Bett! Stellen Sie sich vor, was ein Zeichner aus dem
Motiv rausholen könnte! Einer wie der, dessen Kunstwerk wir in der Rue
Blottière gefunden haben... Großer Gott! Hoffentlich zeugen die beiden keine
Kinder! Das würde ‘ne blutrünstige Mischung!“
    „Und was schließen Sie aus der
Räuberpistole?“
    „Nichts. Überhaupt nichts. Wie
Ludwig XIV.: Wir werden sehen... wenn’s was zu sehen gibt. Zum Dessert geh ich
zu Gaudebert. Ich muß ihm ja wenigstens mitteilen: Ferrand ist tot, mein
Auftrag hat sich erledigt.“
    Ich ließ Hélène mit dem Dessert
alleine und ging in die Rue du Douanier. Das rot- und pausbäckige Dienstmädchen
teilte mir mit, daß niemand zu Hause sei. Monsieur und Madame seien
spazierengegangen und kämen nicht vor dem Abend zurück. Na ja, bei dem Wetter,
nicht?
    „Dann komme ich heute abend
wieder“, sagte ich. „Hab gehört, hier ist eingebrochen worden?“
    „Ja, M’sieur.“
    „Wann denn?“
    „Letzten Donnerstag vor einer
Woche, glaub ich.“
    „Hatten Sie große Angst?“
    „Ich hatte meinen freien Tag,
M’sieur. Verbringe die Nacht bei einer meiner Landsmänninnen. Solche Verbrecher
wissen so was immer ganz genau.“
    „Natürlich. Und Monsieur und
Madame? Waren die zu Hause?“
    „Das glaub ich nicht, M’sieur.“
    „Vielen Dank. Richten Sie
Monsieur Gaudebert bitte aus, daß ich heute abend wiederkomme.“
    „Ja, M’sieur.“
    Ich ging zurück zu Hélène.
    „Ich kann’s noch gar nicht
fassen!“ sagte ich beim Kaffee. „Das Traumpaar des Jahres! Schade, daß ich
nicht zeichnen kann… Wie wär’s, gehn wir mal zu diesem Graphiker, dem üblen
Burschen, wie Sie sagen? Zur Entspannung der Nerven...“
    Entspannung der Nerven war
vielleicht nicht ganz der passende Ausdruck.
    Raymond Hillas wohnte in der
zweiten Etage eines nicht mehr ganz neuen Hauses, Rue de la Tombe-Issoire, Ecke
Rue du Douanier-Rousseau. Wir gingen hinauf. Hinter der Tür des Graphikers war
Stimmengemurmel zu hören. Ich klopfte. Das Gemurmel verstummte. Ich zwinkerte
Hélène zu. Vielleicht war die Spur ganz interessant.
    „Los, öffnen Sie“, rief ich und
trommelte gegen die Tür. „Wir werden Sie nicht fressen. Empfängt man so seine
Kunden?“
    Nach ein paar Sekunden sagte
drinnen jemand:
    „Ich komm ja schon.“
    Ein leises Geräusch, so als
werde der Schlüssel vorsichtig im Schloß herumgedreht.
    „Herein“, sagte die Stimme.
    Ich drehte den Türknopf. Hélène
folgte

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