Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
Leiche.“
    „Ausgrabung?“
    „Auskohlung, wenn’s Ihnen
besser gefällt. Der Tote lag unter einem Kohlehügel gleich neben den Gleisen
von Montparnasse. Kinder waren gerade dabei, Kohle zu klauen...“
    „Haben die gefroren?“ lachte
ich.
    „Und der nächste Winter?“
fragte Faroux zurück. „Meinen Sie, dann ist es dreißig Grad im Schatten?“
    „Stimmt auch wieder. Also, die
Kinder...“
    „...haben Kohle geklaut und
dabei die Leiche entdeckt.“
    „Und Madame Courtenay hatte sie
unter die Kohle geschoben?“
    „Warum nicht?“
    „Prima!“ rief ich. „Machen Sie
sich nur über mich lustig! Daß die Frau ein Klasseweib war, wußte ich. Aber
anscheinend war sie auch noch ein Riesenweib. ‘Ne Mordsarbeit. Die schwere
Leiche, tonnenweise Kohlen...“
    „Von weitem sieht es so aus.
Aber wenn man ein Brett wegzieht, fällt der Hügel in sich zusammen. Ein
Kinderspiel, mit so einem System...“
    „Wenn Sie’s sagen!“
    Ich hätte noch gerne ein paar
Fragen gestellt. Aber das wär verdächtig gewesen.
    „Na dann, salut , Faroux.“
    „ Salut, Burma.“
    Ich legte auf und ging runter
auf die Straße, um die neuesten Zeitungsausgaben zu kaufen. Beim Frühstück im
Bistro blätterte ich sie durch.
    Sie berichteten nur ganz kurz
über den Selbstmord. Kein Wort über den Bekennerbrief, den man in der
Jackentasche von Marie Courtenay gefunden hatte.
    Ausführlicher waren da schon
die Berichte über den Mord an Ferrand. Vor allem im Crépuscule. Freund
Covet hatte ordentlich zugeschlagen. Die Entdeckung seiner Leiche (der von
Ferrand!) war reichlich geheimnisvoll. Die Kinder behaupteten, ein Araber habe
sie veranlaßt, die Leiche auszugraben. Als ein Schuh des Toten zum Vorschein
gekommen war, hatte der Araber die Aufregung der Kinder genutzt und sich aus
dem Staub gemacht. Allerdings konnte man den Kindern nicht blind glauben. In
diesem Viertel hat sich nach und nach eine nordafrikanische Kolonie
ausgebreitet. Hotels, Bistros, Lebensmittelläden, beinahe alles war in ihrer
Hand. Die Alteingesessenen betrachteten die Araber nicht grade liebevoll. Sie
schoben ihnen die übelsten Rollen zu. Und das färbte natürlich auf die Kinder
ab. Jedenfalls war Ferrand mit einem Rasiermesser enthauptet worden. Und vom
Rasiermesser, schrieb Covet, könne man messerscharf auf einen Araber schließen.
Ein scharfes Messer, ein scharfer Schluß. Außerdem hatten die Kinder noch
angegeben, der Araber sei ihnen bekannt gewesen. Er wohne in der Rue Blottière,
in einem Haus direkt bei den Kohlehügeln. Das Haus war durchsucht worden. Aber
seit ein paar Stunden wohnten Obdachlose in der Bruchbude. Die Vormieter waren
verschwunden. Es wurde weitergesucht, allerdings mit wenig Hoffnung. Der
Besitzer der Bruchbude wohnte an der Porte de Vanves
(in einer etwas ansehnlicheren Behausung!). Er konnte keine näheren Angaben
über seine ausgeflogenen Mieter machen. Hatte zwar eine Liste mit Namen, aber
die sagte über den aktuellen Stand so gut wie nichts aus. Eine Flut von
undurchsichtigen Leuten strömte durch die einzelnen Zimmer und haute wieder ab,
sobald sich was Besseres gefunden hatte. Der Journalist gestattete sich einen
Exkurs über die Wohnungsmisere. In Paris gebe es viele Häuser, schrieb er, in
denen die ehrenwertesten Bürger wohnten, aber nicht polizeilich gemeldet seien.
Sie übernähmen die Wohnungen von Freunden, die sie wiederum schon ihrerseits
von Freunden übernommen hätten, auf deren Namen die Mietquittungen ausgestellt
seien. Mit anderen Worten: die ausgeflogenen Vögel wiederzufinden, sei so gut
wie unmöglich. Es sei denn, man nehme sich geduldig die Bekannten des Toten
vor...
    Als die Leiche unter der Kohle
hervorgezogen wurde, hatte sie noch keinen Namen gehabt. Keine Papiere, kein
Wäschezeichen. In den Taschen war nichts, aber dafür an den Händen: seine
Fingerabdrücke. Die Goldjungen vom Quai des Orfèvres hatten
sie im Handumdrehen identifiziert.
    Der Tote hieß Ferrand. Ohne
Vornamen, wie Chocolat Menier. Seine nachlässigen Eltern hatten nicht
nur vergessen, ihm einen zu geben, sondern waren auch noch völlig unbekannt.
Wahrscheinlich um dem fehlenden Vornamen etwas entgegenzusetzen, hatte er
während seines abenteuerlichen Lebens unter den Namen Courtois und Malbec
„gearbeitet“. Aber als Ferrand hatte er kurz vor dem Krieg zur Bande eines
gewissen Castellenot gehört. Dieser Castellenot wurde so lange für einen
Gentleman-Gauner gehalten, bis er zwei Leute bei einem Einbruch tötete.

Weitere Kostenlose Bücher