Die Ratten
Bier?«
»Nein, ich muß gehen«, sagte Harris. »Ich werde erwartet.«
»Ja, ja, natürlich.« Wieder deprimiert. »Nun, sehe ich Sie dann morgen früh?« Etwas heiterer.
»Sie möchten, daß ich mitmache?«
»Aber ja. Sie gehören jetzt zum Team, alter Junge. Machen Sie sich keine Sorgen wegen Ihrer Arbeit. Ich kläre das mit der Schule. Genauer gesagt, das habe ich bereits. Sie möchten also kein Bier mehr. In Ordnung. Bis morgen dann.«
Harris verließ das Pub mit Erleichterung. Er war sich nicht ganz sicher, weshalb er eine Abneigung gegen Foskins hatte. Vielleicht lag es an den unberechenbaren Stimmungsschwankungen des Mannes. Mal war er heiter, herzlich, tüchtig, und im nächsten Augenblick - nun, >Trauerkloß< war die einzige Bezeichnung, die Harris auf Anhieb einfiel. Harris konnte es kaum erwarten, nach Hause zu Judy zu kommen.
Foskins starrte trübsinnig in sein Glas. Du solltest nicht zu lange hierbleiben, dachte er. Es könnte dich jemand beim Trinken sehen. Das wäre nicht gut, besonders jetzt nicht.
Er dachte über den jungen Lehrer nach. Vermutlich lebte er mit einer Frau zusammen - er wirkte nicht schwul. Selbstsicher. Selbstbeherrscht. Jung. Vielleicht sogar nützlich bei dieser Aktion. Natürlich nicht unentbehrlich, aber er würde wenigstens erkennen, wie schwierig es ist, ein solches Projekt zu organisieren. Diese Erfahrung würde ihm guttun - wenn nur mehr Leute eine Vorstellung von den Schwierigkeiten hätten, dann würden sie vielleicht nicht bei der ersten Krise seinen Rücktritt verlangen, sagte er sich. Ah, sie werden bald sehen, daß ich noch nicht aufs Abstellgleis gehöre!
Er bestellte noch einen Gin Tonic - nur noch einen auf die schnelle, dachte er - und ging damit zu seinem Platz zurück.
Sonderbar, wie sich die Dinge entwickeln, grübelte er. Immer muß ich mich vor anderen beweisen. Einigen fällt es leicht, sie sind mit der Gabe geboren worden, aber für andere erfordert es ständige, harte Arbeit; sie können sich keine Minute entspannen und dürfen nie ihre Schwäche bei denjenigen zeigen, die nur zu erfreut wären, das zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen. So war es immer für mich, dachte er. Arbeit, Führung - nie ist mir etwas leicht gefallen. Immer war der Existenzkampf mein wohlgehütetes Geheimnis. Wenn die Leute nur wüßten, wie viele Nachtstunden ich geschuftet und gebüffelt habe, um die verlangten Leistungen zu bringen. Nicht nur, um Schritt zu halten, sondern um den anderen voraus zu sein.
Aber Rosemary hatte es herausgefunden. Natürlich konnte ihr das nicht verborgen bleiben - sie war seine Frau. Jede andere Frau hätte ihrem Mann Trost gegeben. Nicht Rosemary. Sie langweilte sich zunehmend, wenn er sich in den Nächten mit Schreibarbeit abmühte. Und als sie erkannte, daß seine Fähigkeiten im Bett ebenfalls zu wünschen übrig ließen - nun, da war die Enttäuschung zu groß gewesen. Wenn sie Kinder gehabt hätten, dann wäre sie mit etwas beschäftigt gewesen, aber die Ehe war kinderlos geblieben, und selbst daran hatte ihm Rosemary die Schuld gegeben. Trotzdem hatte die Ehe fünfzehn Jahre gehalten, also mußte Rosemary ihn doch ein bißchen geliebt haben. Obwohl er von Rosemarys Verhältnis mit einem anderen gewußt hatte, wäre es nicht wirklich tragisch für ihn gewesen, solange sie diskret war. Selbst ihre Sticheleien vor Freunden und Kollegen hätte er ertragen, indem er sie mit gespielter Heiterkeit ins Lächerliche gezogen hätte. Aber als Rosemarys Affären häufiger und immer weniger diskret geworden waren - und, am schlimmsten von allem, immer weniger anspruchsvoll -, hatte er einen Schlußstrich ziehen wollen. Sie war ihm jedoch zuvorgekommen, hatte ihn verlassen und war mit einem verdammten Reisevertreter davongelaufen! Mit einem Vertreter! Foskins hatte sein Bestes getan, um die Sache zu vertuschen, aber so etwas spricht sich immer herum, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als noch härter zu arbeiten, um noch erfolgreicher zu werden, alles um die Schande zu verbergen, von einer untreuen Ehefrau verlassen worden zu sein. Und die doppelte Schande, von ihr und einem verdammten Vertreter zum Hahnrei gemacht worden zu sein! Wie konnte man danach seine Würde wiedergewinnen?
Aber ich schaffte es, dachte er, ich arbeitete mich in diese Position hoch. Ja, da war die Sache mit den Ratten, die meinem Ansehen schadete, aber meine Vorgesetzten werden mich nicht fallenlassen, oder? Nein, sie kennen meinen wahren Wert. Zur Hölle mit der
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