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Die Rattenhexe

Die Rattenhexe

Titel: Die Rattenhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Gesicht freigelassen.
    Das leuchtete aus der grauen Umgebung hervor. Es hatte ebenfalls einen bläulichen Schein bekommen. An manchen Stellen erinnerte die Haut an die einer alten Leiche. Die Augen bewegten sich. Sie schimmerten, als wären sie mit einem glänzenden Wasser gefüllt worden. Der Mund lächelte, und die Musik klang langsam aus.
    Trotz der geschlossenen Wände war sie genau zu hören, denn Senta bewegte sich in einem bestimmten Rhythmus. Auch die Wände waren von innen kaum beschlagen, nur an der Decke hatte sie sich etwas niedergeschlagen.
    Sentas Arme zuckten. Mal schob sie den linken, dann wieder den rechten vor, ebenso bewegte sie die Beine, aber die Ratten blieben an ihr hängen.
    Sie liebten ihre Herrin oder ihre Königin. Ich ließ meinen Blick wandern, um die Gesichter der Zuschauer sehen zu können. Es war nicht einfach.
    Ich sah nur diejenigen Gäste, die mir relativ nahe hockten. Selbst die härtesten Typen, die vor dem Auftritt noch das große Wort geführt hatten, waren kleinlaut geworden, denn so etwas hatten sie nicht erwartet. Und sehr glücklich sahen sie nicht aus. Auch nicht entspannt.
    Sie hockten auf den Stühlen, als wollten sie jeden Augenblick hochschnellen und davonrennen.
    Noch spielte die Musik. Diesmal ein anderes Stück. Es war langsamer, zum Entspannen, wenigstens für die Akteure im Glaskasten. Wie lange diese Aufführung gedauert hatte, wußte selbst ich nicht zu sagen. Zu sehr war ich von der Darbietung fasziniert gewesen. Nur wußte ich nicht, ob ich sie positiv oder negativ einstufen wollte.
    Mit einem Auge bekam ich mit, daß jemand auf meinen Platz zukam. Ich ahnte, daß es Jake Holland war und hatte mich auch nicht geirrt, denn er schob sich mit einer geschmeidigen Bewegung auf den Hocker rechts von mir. Sein Mund zeigte ein Lächeln. »Na, wie hat es Ihnen gefallen?«
    »Ich bin beeindruckt.«
    »Oh. Ist das alles?«
    »Ja.«
    »Was sagen Sie von Senta?«
    »Sie mag Ratten?«
    »Sah man das nicht?«
    »Schon, aber ich meine es anders. Ich kann Tiere mögen, ohne sie hautnah an mich heranlassen zu müssen. Für mich hat es so ausgesehen, als bestünde zwischen den Tieren und der Frau eine besondere Beziehung, die man schon als Liebe ansehen kann.«
    Er runzelte die Stirn. »Liebe?« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.«
    »Was ist es dann?«
    Jake Holland überlegte nicht lange. Er schaute auf seine Hände, die von zwei Ringen mit Steinen geschmückt waren. »Nicht Liebe, eher Macht. Senta hat Macht über die Ratten, wenn Sie verstehen…«
    »Da stimme ich Ihnen zu.«
    »Und es war kein Märchen, Sinclair.«
    »Sie meinen damit den Rattenfänger von Hameln?«
    »Genau den.«
    Ich ließ mir mit der nächsten Bemerkung Zeit. Senta tanzte noch immer, sehr langsam, und allmählich glitten die Ratten von ihrem nackten Körper. »Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie es möglich ist, daß ein Mensch so mit den Ratten umgehen kann?«
    »Habe ich.«
    »Sie kennen Senta besser.«
    »Ja.«
    »Und Ihre Erklärung?«
    »Sie ist selbst ein Tier, eine Ratte, wie auch immer. Ich habe sie hergeholt. Ich wußte nicht, wer sie war, aber ich fand sie eines Tages allein in einer verlassenen Gegend.«
    »Wo war das?«
    »Nicht hier. Im Ausland. In einem Slum in Rio. Sie hatte keinen Namen, sie trug nur Lumpen am Leib. Sie hatte Hunger, aber sie sah trotzdem wunderschön aus. Und sie liebte ihre Tiere. Sie hauste mit den Ratten zusammen, was mir gar nicht gefallen konnte. Ich dachte daran, daß die Nager sie anknabbern würden. Deshalb nahm ich sie mit, und sie ging auch seltsamerweise.«
    »Wann war das?«
    »Vor einigen Jahren.«
    »Was taten Sie?«
    Er lachte dreckig. »Ich sorgte dafür, daß sie lernte, daß sie das Leben hier schätzen lernte. Und sie begriff rasch. Sie paßte sich wunderbar an. Sie wurde immer schöner und sie war mir dankbar. Ich habe wahnsinnige Nächte mit ihr erlebt, aber ich kam nie ganz an sie heran.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ein Geheimnis blieb noch.«
    »Die Ratten?«
    »Sicher. Sie fühle sich zu ihnen hingezogen, und sie holte sich die Tiere in ihr Zimmer. Ich warf die Ratten hinaus, sie ließ es geschehen, aber nie habe ich ihren Blick vergessen, als ich das tat. Es gibt da ein Geheimnis, mit dem ich nicht zurechtkomme. Nur habe ich dazugelernt. Wenn sie ihre Freiheit haben wollte, bekam sie die auch, und Senta ist immer wieder zu mir zurückgekehrt. Ihre Liebe zu den Ratten aber hat sie nie verloren. Nur durch sie konnte sie in Rio

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