Die Rattenhexe
Gehen ihren Oberkörper vor und zurück, erinnerte dabei an eine Joggerin, und als sie in den blauen Lichtschein eintauchte, da erst war sie richtig zu sehen.
Nein, sie war nicht nackt, aber sie war so gut wie nackt, denn sie trug nur ein schwarzes Etwas, das ihre Scham bedeckte. Selbst auf die Schuhe hatte sie verzichtet.
Jemand klatschte Beifall. Ein schüchterner Versuch, dem ich mich anschloß. Danach bewegten auch Shao und Suko ihre Arme, und schließlich jubelten ihr alle Gäste auf diese Art und Weise zu.
Nach wenigen Sekunden hatte sie den Käfig erreicht. Sie blieb vor der Glastür stehen, drehte sich um und schaute die Gäste mit Blicken an, daß jeder das Gefühl haben könnte, nur er wäre damit gemeint gewesen.
Die Ratten umwieselten ihre nackten Beine. Sie hatten sich dort wie ein lebender Pelz zusammengedrängt und warteten darauf, daß ihre Herrin ihnen die Tür öffnete.
Rattenhexe, so hatte Holland sie genannt.
Mir gefiel der Ausdruck, denn wer sich so gut mit diesen Tieren verstand, mußte sie schon verhext haben.
Die Tür war offen.
Zuerst schlüpften die Ratten in den Käfig. Sie konnten es kaum erwarten, hineinzukommen. Sie drängten sich in das gläserne Rechteck, dessen blauer Boden plötzlich einen zitternden und krabbelnden Teppich bekommen hatte.
Auch Senta betrat den Kasten.
Vorsichtig, sie wollte keine Ratte zertreten. Und sie machten ihr auch Platz, so daß sie ihre Füße normal aufsetzen konnte. Dann schloß sie die Tür, riß die Arme hoch, drehte sich auf der Stelle und präsentierte sich so dem Publikum.
Es würde kein Rattenstriptease werden, sondern ein Rattentanz, denn sie war schon fast ausgezogen.
Keine Musik mehr.
Stille senkte sich über den Raum.
Hier und da ein Hüsteln, ein Flüstern oder ein schweres Atmen. Die Gäste hatten Mühe, sich unter Kontrolle zu halten. Es war nicht zu erkennen, ob sie sich auf die Darbietung freuten oder sie ihnen doch etwas fremd und unangenehm war.
Ich warf meinen Freunden einen knappen Blick zu. Sie hatten ihre Stühle ein wenig zur Seite gedrückt und saßen jetzt noch dichter beisammen.
Die Stille wurde zerfetzt. Ja, es glich schon einem Zerfetzen, als plötzlich die Musik aufbrandete, so laut, daß einige Gäste zusammenschraken.
Es waren keine Techno-Rhythmen, auch hämmernder Rock malträtierte uns nicht, es war die Melodie aus einem Musical. ›He, Big Spender‹, hieß der Song. Es paßte zu diesem Outfit, und plötzlich waren die Ratten nicht mehr ruhig.
Als hätten sie nur auf diese Klänge gewartet, bewegten sie sich exakt nach den Rhythmen. Jeder konnte sich wundern, wieviel Platz plötzlich innerhalb des Käfigs war. Die Ratten sprangen an den Innenseiten in die Höhe, huschten wieder herab und auf die Frau zu, die sich ebenfalls geschmeidig nach den Klängen bewegte.
Wie sie das tat, war schon eine Schau für sich. Ihr Körper schien aus Gummi zu bestehen. Jede Bewegung ging in die andere über. Nichts wirkte abgehackt und stockend, alles floß. Jeder Schritt saß perfekt, und nicht einmal trat sie dabei aus Versehen auf eine Ratte.
Sie tanzte.
Sie lächelte.
Ihr Gesicht zeigte diese lockere Anspannung und noch etwas mehr, denn ich sah ihr an, daß ihr dieser Tanz nicht nur Spaß bereitete, sondern sie regelrecht aufrüttelte und ihr ein wahnsinniges Vergnügen bereitete. Sie war in Form. Sie bot den Zuschauern etwas, und auch die Tiere machten die Bewegungen.
Die Musik peppte sie noch stärker auf. Plötzlich schien das Innere des Glaskastens zu explodieren. Die Ratten waren wie wild. Sie sprangen in die Höhe, sie klatschten gegen die Wände, drehten sich, fielen wieder nach unten. In ihren Bewegungen erinnerten sie schon an Skateboard-Fahrer, so elegant und geschwind.
Senta war leicht in die Hocke gegangen und wippte im Rhythmus mit. Ich kannte die Haltung mit den ausgestreckten Armen, und es passierte das gleiche wie in der Garderobe.
Die Ratten stießen sich ab und sprangen auf die Hände und Arme, wo sie nicht lange blieben und mit heftigen Trippelbewegungen in Richtung Schultern liefen.
Sie waren schnell, sehr schnell. Sie trippelten über das Gesicht. Sie hockten sich auf den Kopf, wühlten sich in das Haar hinein, blieben dort hocken, während andere Ratten am fast nackten Körper entlang wie Schatten in die Höhe huschten.
Es dauerte nicht lange, da trug die Tänzerin ein pelziges Kleid. Von der nackten Haut war kaum etwas zu sehen, denn die Tiere hatten alles in Beschlag genommen und nur das
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