Die Rattenhexe
gesehen.
Jedenfalls war er groß genug gewesen, um in ihm auch Ratten transportieren zu können. Senta und die Ratte!
Nein, das paßte nicht. Das war einfach verrückt. Auf der anderen Seite jedoch hatte ich meine Erfahrungen sammeln können und dabei festgestellt, daß das Leben selbst die verrücktesten Dinge bereit hielt.
Da zählte das Erscheinen dieser Ratte nicht mal zur Spitze.
Das schmale Heft mit den Streichhölzern steckte in meiner Tasche. Über seinen Besitz freute ich mich. Es war die Spur zu Senta de Fries. Wobei ich mich jetzt natürlich fragte, was sie damit bezweckt hatte, diese Spur zu legen.
Ich war sicher, daß da mehr dahintersteckte. Wollte sie, daß ich zu ihr kam? Hatte sie den Kontakt mit mir bewußt gesucht?
Ich freute mich auf den nächsten Tag, denn er würde sicherlich voller Überraschungen stecken.
Das dumpfe Geräusch war nicht zu überhören. Ich schrak zusammen, schaute nach vorn und sah den Klumpen auf der Motorhaube. Die Ratte hatte sich bisher versteckt gehalten und war dann plötzlich auf den Wagen gesprungen. Sie wollte mir beweisen, daß sie noch da war.
Diesmal lag sie auch nicht auf dem feuchten Blech, sondern stand auf ihren vier Beinen und starrte mich an.
Es war zwar finster, aber nicht so dunkel, als daß ich sie nicht erkannt hätte. Sie wollte etwas von mir. Sie starrte gegen die Scheibe, sie suchte mich, und ich konzentrierte mich auf ihre Augen. Sehr bald rieselte mir ein Schauer über den Rücken, denn diese Augen konnten mir einfach nicht gefallen. Es hätten Rattenaugen sein müssen, aber das waren sie wohl nicht, denn sie hatten etwas an sich, mit dem ich nicht zurechtkam.
Ich verglich es mit einem menschlichen Ausdruck, aber das war längst nicht alles, denn dieser Ausdruck erinnerte mich an den Blick, den ich vor kurzem erst erlebt hatte.
Bei Senta de Fries!
War es das gleiche Blau wie bei ihr? Es konnte so sein, mußte aber nicht stimmen. Trotzdem blieb das kalte Rieseln auf meinem Rücken, wo es sich regelrecht festgefressen hatte.
Auch jetzt traf die Ratte keinerlei Anstalten, ihren Platz zu verlassen. Von diesen Tieren war bekannt, daß sie sich durch alles fressen konnten, wenn sie Zeit hatten.
Die hatte ich nicht.
Deshalb startete ich. »Warte, mein Freund, du wirst verlieren, das schwöre ich dir.«
Ich legte einen heißen Kavalierstart hin, und die Ratte auf der Motorhaube schlug plötzlich um sich, versuchte, sich irgendwo festzuhalten. Dann zerrte ich den Wagen nach rechts, und plötzlich mußte sie den Gesetzen der Zentrifugalkraft folgen, denn auf der Motorhaube hielt sie nichts mehr.
Sie rutschte über die feuchte Fläche hinweg, als würde der pelzige Körper auf einer Eisschicht schwimmen. Dann war das Tier verschwunden, wie weggefegt von der Motorhaube, und ich atmete wieder einmal tief und fest durch.
Das war überstanden. So schnell würde mich keine Ratte mehr überfallen. Hundertprozentig sicher war ich allerdings nicht, deshalb stoppte ich vor der nächsten Auffahrt und durchsuchte meinen Wagen.
Selbst im Kofferraum schaute ich nach.
Er war leer. Keine Ratte sprang mir beim Öffnen entgegen. Im Innern des Rovers hatte ich ebenfalls keinen fremden vierbeinigen Gast entdeckt und hatte wenig später den Belag der Autobahn unter den Reifen.
Fröhlich oder beruhigt war ich trotzdem nicht. Ich konnte einfach den Blick der Augen nicht vergessen.
Sentas Augen…?
***
Ich hatte London gegen Ende der ersten Morgenstunde erreicht, trank noch eine Flasche Bier und lag eine halbe Stunde später in meinem Bett, in dem ich gern noch einige Stunden geschlafen hätte, was gar nicht so einfach war, denn die Bilder, die ich mir nicht bewußt herholte, wechselten sich immer wieder ab. Einmal sah ich eine Armee von Ratten, dann wieder die schöne Senta, die sich inmitten der Tiere befand. Und die Frau schien sich dabei besonders wohl zu fühlen.
Sir James, Glenda und Suko erwarteten mich erst im Laufe des Tages zurück, und so ließ ich mir mit dem Aufstehen Zeit. Ausgeschlafen war ich nicht, aber diesen Zustand kannte ich und hatte mich mittlerweile schon daran gewöhnt.
Beim Frühstück dachte ich an das Streichholzheftchen, legte es neben den Teller und las mir noch einmal den Text durch. Es war in kleiner Schrift auch eine Adresse angegeben. Die Bar lag nahe der Tooley Street, wo sich auch das weltberühmte London Dungeon befindet.
Jedenfalls würde ich ihr einen Besuch abstatten, das stand fest.
Nur würde ich in dieser frühen
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