Die Rebellen von Irland
London bereits als Herausgeber und Verfasser glänzender Gedichte und Satiren einen Namen gemacht hatte. »Er war ein guter Freund des großen Dichters Alexander Pope.« Fortunatus wusste, dass Swift gerne oben in Quilca schrieb, weil ihm die geistigen Höhenflüge und kühnen Spracheinfälle Sheridans wertvolle Anregungen für seine beißenden Satiren lieferten. Und das Werk, an dem er gerade arbeitete, war in der Tat ungewöhnlich.
Offenbar handelte es sich um eine Satire auf die populären Reiseschilderungen. Es war die merkwürdige Geschichte eines Mannes namens Gulliver, der mehrere Reisen in imaginäre Länder unternahm, auf eine Insel, die von Zwergen, und auf eine andere, die von Riesen bewohnt wurde. Eine dritte wurde von gelehrten Pferden regiert. Er hatte sogar eine Reihe von Skizzen für einen Besuch auf einer fliegenden Insel.
»Wir suchen Namen für einige merkwürdige Orte und Geschöpfe, denen der Reisende begegnet«, erklärte Sheridan. »Namen sind nämlich wichtig. Wir haben zum Beispiel schon Liliput für die Insel, auf der die Zwerge leben, und unsere gelehrten Pferde heißen Houyhnhnms – klingt das nicht wie ein Wiehern? Aber kommen Sie, Jonathan, stellen Sie uns noch ein paar Aufgaben.«
Ermuntert durch die Begeisterung seines Freundes las Swift freundlicherweise ein paar Passagen vor, und die Gesellschaft strengte ihren Verstand an.
»Wir müssen jeden Winkel unserer Einbildungskraft durchstöbern«, erklärte Sheridan. »Wörter aus dem Englischen und Französischen, Lateinischen oder Griechischen, lautmalerische, selbst irische. Garret, wussten Sie, dass Dekan Swift Gälisch kann? Er spricht es nicht so gut wie Sie oder ich, aber er hat unsere Sprache gelernt, das gereicht ihm zur Ehre.«
Die fliegende Insel sollte Laputa heißen, wie Walsh und Swift fanden. Auch bei den wilden Geschöpfen, die den gelehrten Pferden Verdruss bereiteten, setzten sich die beiden durch. Sie bekamen den Namen Yahoos. Dann jedoch, als ein Name für die kleinen mäuseähnlichen Kreaturen gebraucht wurde, welche die Yahoos so gerne verspeisten, zeigte Sheridan, was in ihm steckte.
»Das lateinische Wort für Maus ist mus, und das irische Wort luc. Darum würde ich vorschlagen, wir nennen die bemitleidenswerten kleinen Gesellen Luhimuhs. Da sieht man die armen Wichte doch förmlich vor sich, nicht wahr?«
Swift war entzückt. Doch die härteste Nuss gab es etwas später zu knacken.
»Gulliver besucht auch ein Land«, erläuterte Swift, »in dem jeder, der vom König empfangen werden will, sich nicht nur nach orientalischer Gepflogenheit zu Boden zu werfen hat, sondern auch zum Thron kriechen und dabei den Schmutz vom Boden lecken muss. Wie sollen wir es nennen?«
Tiefe Stille trat ein. Walsh runzelte die Stirn, Sheridan stierte versonnen ins Leere. Schließlich ergriff Garret Smith das Wort.
»Das irische Wort für Sklave – und jeder, der so etwas tut, ist ein Sklave – lautet triall, und die irischen Wörter für Teufel und Schmutz sind droch und drib. Sie könnten es also Trildrogdrib nennen.«
Alle sahen einander an. Das war brillant.
Vom anderen Ende des Raums, von dort, wo der Tisch an der Wand stand, ertönte ein Glucksen, und der Leichnam setzte sich auf. »Ausgezeichnet!«, sagte der Leichnam.
»Bei Gott!«, rief Sheridan. »Ihr habt O’Toole geweckt.«
***
Fortunatus war O’Toole nie zuvor begegnet. Der Mann war noch ziemlich jung, erst Anfang dreißig. Blond, hochgewachsen, mit tiefblauen Augen, schmalem länglichem Gesicht, breitem Mund und hohen, vorstehenden Wangenknochen: In Walshs Fantasie nahm er die Gestalt einer Violine mit hellem Haar an. Einen Großteil des Jahres lebte er bei seiner Familie oben in den Wicklow-Bergen, aber im Sommer und Frühherbst wanderte er umher, wie es die Dichterbarden Irlands seit alters her taten, und wurde überall, wo er hinkam, respektvoll willkommen geheißen. Gewöhnlich trug er seine Kunst in bescheidenen Gehöften und Weilern alteingesessener Iren vor, die ihn nur mit Kost und einem Lager für die Nacht entlohnen konnten, und was er tat, tat er sicherlich nur aus Liebe zur Sache. Manchmal bei solchen geselligen Ceili -Abenden sang er und stampfte, von ein oder zwei Geigern begleitet, mit dem Fuß den Rhythmus. Oft erzählte er auch Geschichten aus dem reichen irischen Sagenschatz. Doch wenn er in Stimmung war, und das war das Beste von allem, sang er selbst verfasste Verse und begleitete sich dabei auf der kleinen Harfe, die er stets bei sich
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