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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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trug.
    Es gab in Irland eine ganze Anzahl solcher Poeten. Der berühmteste war Turlough Carolan, ein Dichterbarde, der von Geburt an blind war. »Blind wie der gewaltige Homer«, hatte Sheridan einmal zu Fortunatus gesagt, »und mit dem phänomenalsten Gedächtnis, das mir je untergekommen ist.« Carolan lebte in der Gegend und hatte Quilca schon mehrmals besucht. O’Toole war zwanzig Jahre jünger, aber nach Ansicht Vieler hatte er das Zeug, ihm eines Tages gleichzukommen.
    Beim Essen sprach der Dichter wenig. Er schonte sich für seinen anschließenden Vortrag. Doch wenn er etwas sagte, dann auf heitere, ungezwungene Art, und Fortunatus erkannte, dass er nicht nur umfassende Kenntnisse der irischen Dichtung besaß, sondern auch mit der klassischen Literatur und sogar mit einigen neueren englischen Dichtern vertraut war. Er trank etwas Aqua vitae. »Ich biete Euch Wein an«, sagte Sheridan, »aber ich weiß, dass Ihr Usquebaugh bevorzugt.«
    »Ganz recht«, gestand der Dichter, »denn ich habe festgestellt, dass Wein mich benebelt, wohingegen Lebenswasser bei mir nur wenig Wirkung zeigt, außer dass es meine Sinne schärft.«
    »Genau das«, erwiderte Sheridan fröhlich, »bewirkt Rotwein bei mir.«
    Mit Swift sprach O’Toole mit spürbarem Respekt, und Walsh gegenüber bemerkte er höflich, dass er schon viel Gutes über seinen Bruder Terence gehört habe. Er wechselte auch ein paar Worte mit Garret, der freilich nur einsilbig antwortete, was Walsh darauf zurückführte, dass der junge Mann wohl eingeschüchtert sei. Einmal jedoch sprach Garret den Dichter von sich aus an.
    »Aus welchem Teil von Wicklow kommen Sie?«, fragte er.
    »Aus den Bergen. Aus einem Ort an der Straße nach Glendalough. Er heißt Rathconan.«
    »Dann kennen Sie vielleicht die Brennans?«
    Ein Schatten huschte über O’Tooles Gesicht.
    »Es gibt dort oben eine Familie dieses Namens.« Er sah Garret forschend an. »Haben Sie Verbindungen zu Rathconan?«
    Garret starrte ihn an.
    »Das könnte man sagen.«
    »Aha.« O’Toole nickte nachdenklich. »Die grünen Augen. Das wäre eine Erklärung.« Doch mehr sagte er dazu nicht.
    Nach dem Essen wechselte er zu einem abseits stehenden Stuhl und griff zu seiner Harfe.
    »Zu Anfang etwas Musik.«
    Als Erstes spielte er einen kurzen Jig, dann eine sanfte altirische Weise, sodass Fortunatus annahm, dies sei ein Vorspiel zu einer irischen Geschichte. Doch danach trug O’Toole zu seinem Erstaunen ein lebhaftes italienisches Stück vor, in dem er zu seinem noch größeren Erstaunen ein Violinkonzert von Vivaldi wiedererkannte. Swift, der seine Überraschung bemerkte, beugte sich zu ihm hinüber.
    »Ich habe gehört«, flüsterte er, »dass der blinde Carolan in eben diesem Stil selbst ein italienisches Stück komponiert hat. Eure irischen Musikanten können mit jedem in Europa mithalten.«
    Sowie der Beweis dafür erbracht war, kehrte O’Toole gekonnt zu irischen Stücken zurück, und nachdem er drei oder vier dargeboten hatte, machte er eine Pause, und Sheridan schenkte Usquebaugh nach. Unterdessen waren auch die Frauen wieder aus der Küche zurückgekehrt. Diesmal hatten sie auch den Stallburschen und die Knechte vom Gehöft mitgebracht, sodass jetzt alle Hausbewohner zugegen waren.
    ***
    Am nächsten Tag stand niemand früh auf. Der Vormittag war schon weit vorgerückt, als Fortunatus herunterkam. Garret saß draußen auf einer Bank, las in Macbeth und aß ein Stück Haferkuchen. Sheridan und Swift unterhielten sich leise unten am Wasser.
    Gegen Mittag erschien O’Toole, nahm eine kleine Erfrischung zu sich und sagte, er müsse sich auf den Weg machen, denn er habe zehn Meilen zu gehen bis zu dem Dorf, in dem er als nächstes erwartet werde. Sheridan führte mit ihm ein kurzes Gespräch, und Fortunatus zweifelte nicht daran, dass dabei ein oder zwei Guinness den Besitzer wechselten. Dann nahm die ganze Gesellschaft Abschied und stattete dem Dichter den Dank ab, der ihm zweifellos gebührte. Garret raunte ihm auf Irisch etwas zu, das Walsh nicht verstand, und der Dichter antwortete mit einem ruhigen Nicken. Dann entfernte er sich mit langen, federnden Schritten.
    Sie aßen erst am späten Nachmittag. Sheridan und Swift wünschten offensichtlich, ihr Gespräch alleine fortzusetzen, und als Garret seine Lektüre beendet hatte, nahm ihn Walsh zu einem kleinen Spaziergang mit. Er versuchte dem jungen Mann zu entlocken, was er über O’Tooles Darbietung am gestrigen Abend dachte. Garret sagte wenig,

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