Die Rebellen von Irland
schadenfroh sagten: »Das hat er sich selbst eingebrockt.«
Und dem Jungen, dachte O’Toole. Denn er fand, dass er und Garret Smith den Jungen verraten hatten, jeder auf seine Weise. Garret durch seine Trinkerei und seinen Leichtsinn. Und er selbst? Was hätte er anderes tun können?
Er beantwortete die Frage mit einer anderen. Was, wenn nicht Conall, sondern Deirdre bedroht gewesen wäre? Hätte er eine Möglichkeit gefunden, sie zu schützen? Hätte er sie zu Verwandten geschickt, die woanders lebten? Tatsächlich hatte er gewusst, was er tat, und er hatte Garret Smith nicht einmal gewarnt.
Und warum nicht? Das war der Grund für sein schlechtes Gewissen. Er wusste es nämlich ganz genau.
Deirdres wegen. Sie liebte Conall. Wie hätte sie ihn nicht lieben können? Es gab in Rathconan und in der ganzen Gegend keinen zweiten Jungen wie Conall. Der Junge war ein Prinz, er konnte einen verzaubern. Aber er war auch der Sohn des Trinkers Garret Smith und der Brennan-Schlampe. Schlechtes Blut. Davor fürchtete er sich. Er hatte so etwas schon erlebt – ein viel versprechender Junge, der im Mannesalter auf verhängnisvolle Abwege geriet. Nein, er wollte nicht, dass seine kleine Deirdre dem jungen Conall noch näher kam und eines Tages – er sah es nur allzu deutlich vor sich – einen Bund fürs Leben mit ihm einging. Das wollte er nicht. Er hatte den Jungen geopfert. Es musste sein.
»Alles wird gut«, hatte er zu Conall gesagt, als dieser von ihm Abschied nahm. »Du kannst mir vertrauen.« Eine Lüge. »Du bist ja nur in Dublin und kannst uns oft hier besuchen.« Zwei weitere.
Und jetzt, gütiger Himmel, wohnte er der Abfahrt des Jungen bei. Mit einem Mal sah Conall jünger aus. Er weinte wie ein kleiner Junge und klammerte sich an seinen Vater, der selbst aussah wie ein Delinquent auf dem Weg zum Galgen, blass und verzweifelt – schlimmer als der Tod, ja, schlimmer als der Tod. Und der kleine Conall rief: »Lasst mich bei meinem Papa, ich will zu meinem Papa.« Aber die Männer zogen ihn fort, zerrten ihn zu dem Wagen, der ihn nach Dublin bringen sollte, setzten ihn hinein und hielten ihn fest, während er den Kopf drehte und, die grünen Augen weit aufgerissen, das Gesicht tränenüberströmt, flehend zu seinem Vater blickte, der hilflos dastand, stocknüchtern, ein Gespenst.
Dann knallte eine kleine Peitsche, und das vor den Wagen gespannte Pony setzte sich in Bewegung.
In dem Moment, als der Wagen anfuhr, löste sich Deirdre von der Seite ihres Großvaters. Er hatte sie an der Hand gehalten, doch jetzt entwand sie sich seinem Griff und ging allein und ohne Hast hinter dem Wagen her. In der ersten Biegung lag ein Felsblock am Wegrand, und sie stellte sich darauf und sah zu, wie der Wagen langsam ins Tal rollte. Sie stand ganz still da, wandte kein Auge von ihm, sondern sah ihm nach, bis er auf dem gewundenen Weg langsam dem Blick entschwand.
Doch auch dann blieb das kleine Mädchen mit den langen dunklen Haaren stehen, rührte sich nicht von der Stelle und starrte in die Ferne, in die tiefe Stille der Berge und in die Leere, die jetzt ihre Zukunft war. Und so verharrte sie, als sei sie selbst zu Stein geworden, über eine Stunde lang.
DIE PATRIOTEN
* 1771 *
Ein großartiger, denkwürdiger Abend lag vor ihnen. Die ganze Familie wurde erwartet – Bruder, Kinder, Enkelkinder, Cousins.
»Es erfüllt mich mit großer Freude«, sagte der betagte Fortunatus Walsh zu seiner Gemahlin, »dass unsere Familie während meiner mehr als achtzig Lebensjahre in Harmonie gelebt hat. Und ich habe allen Grund zu der Hoffnung, dass das auch in den nächsten achtzig Jahren so bleiben wird.«
Natürlich kamen sie alle, um ihn und seine Frau zu besuchen. Aber Fortunatus hatte auch einen Ehrengast eingeladen – eine faszinierende Persönlichkeit, die alle mit atemloser Spannung erwarteten –, den er mit seinem ausgeprägten Sinn für Dramatik eine Stunde später als die anderen Gäste bestellt hatte. »Sein Erscheinen wird sicherlich für einige Aufregung sorgen«, sagte er entzückt zu seiner Frau.
Für Fortunatus persönlich war jedoch eine andere Nachricht weit aufregender gewesen, die er erst heute Mittag erhalten hatte. Es wurde noch ein weiterer Überraschungsgast erwartet. Der alte Mann war von solch freudiger Erwartung erfüllt, dass es ihm ungebührlich schien, diese in Worte zu fassen. Hercules war wieder zurück.
»George und Georgiana bringen ihn mit. Er wird den Abend mit uns allen verbringen. Die ganze
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