Die Rebellen von Irland
Familie ist endlich wieder zusammen«, erlaubte er sich zu sagen. »Und das beglückt mich ganz außerordentlich.«
Und nun trafen die ersten Gäste ein.
Nachdem sie die zwölf breiten Stufen zur Vordertür des Hauses am St. Stephen’s Green emporgestiegen waren, betraten sie eine mit Steinplatten ausgelegte Empfangshalle mit offenem Kamin. Hier begrüßte Fortunatus jeden Gast einzeln mit großer Freundlichkeit. Er trug einen Rock mit Goldstickerei, der so rot war wie sein Gesicht, Kniehosen, Strümpfe über den immer noch männlich starken Waden, Schuhe mit silbernen Schnallen und seine beste gepuderte Perücke.
Sein Bruder Terence traf als Erster ein. Er war schmaler als Fortunatus, sein Gesicht ein wenig blasser. Seine Kinder und Enkelkinder begleiteten ihn. Nachdem Terences erste Frau gestorben war, hatte er im reifen Mannesalter noch einmal geheiratet. Seine zweite Frau, eine Witwe aus einer katholischen Familie, hatte ihm zur Überraschung der Familie noch einen weiteren Sohn geschenkt. Der junge Mann trug den Namen Patrick und hatte sich prächtig entwickelt. Fortunatus pflegte gerne zu prophezeien: »Der Junge wird es weit bringen, verlasst euch darauf.«
Die beiden Brüder begrüßten sich mit der wärmsten Zuneigung. Bald darauf trafen die Doyles ein. Fortunatus hatte viele Jahre damit verbracht, die gesellschaftliche Stellung seiner Familie zu verbessern, aber alle ehrgeizige Verbissenheit war im Alter von ihm gewichen.
Er war freundlich, ja sogar ein wenig sentimental geworden. Seine Verwandten, die Doyles, waren zwar reich genug, um ein Leben als Gentlemen zu führen, hatten sich aber dafür entschieden, solide Dubliner Kaufleute zu bleiben, denen jeglicher bon ton fehlte. Aber das war noch lange kein Grund, sie nicht zu einem großen Familientreffen einzuladen. Fortunatus bedauerte nur, dass seine Furcht erregende Cousine Barbara bereits seit sieben Jahren tot war und niemanden mehr terrorisieren konnte. Aber hier war ihr Sohn, den sie vor fünfzig Jahren als kleinen Buben in sein Haus gebracht hatte. Aus dem Jungen war ein dunkelhaariger, schweigsamer Mann geworden, der bereits selbst Enkel hatte. Die ausgesuchte Höflichkeit, mit der er Walsh begrüßte, zeigte, wie sehr er die Freundlichkeit zu schätzen wusste, mit der seine gesamte Familie in die Einladung miteinbezogen worden war.
Nun trafen Fortunatus’ Enkelin Eliza – George und Georgianas älteste Tochter – und ihr Ehemann ein. Er war ein Fitzgerald: eine brillante Partie, die den gesellschaftlichen Status der Familie noch erhöht hatte. Das war Georgiana zu verdanken. Obendrein war Fitzgerald noch ein anständiger Kerl. Fortunatus hieß beide freudig willkommen, danach begrüßte er zwei seiner eigenen Töchter mit ihren Familien. Gott sei Dank sah er wenigstens sie regelmäßig.
Wo blieben nur George und Georgiana? Und Hercules? Ah. Er sah ihre Kutsche draußen vorfahren. Unbewusst zog Fortunatus den Bauch ein und straffte die Schultern. Die Vergangenheit, die auf die Zukunft einen guten Eindruck machen wollte. Der Lakai öffnete die Tür; der Butler verbeugte sich noch tiefer als zuvor. George und Georgiana betraten das Haus als Erste.
Lord und Lady Mountwalsh waren ein sehr ansehnliches Paar.
Alles an ihnen war ansehnlich: das prächtige palladianische Herrenhaus, das sie in Mount Walsh, ihrem Anwesen in Wexford, gebaut hatten. Das große Stadthaus, das sie kürzlich am frisch bebauten Merrion Square erworben hatten. Sie waren sehr vermögend.
Denn da nicht nur die kränkliche Lydia so anständig gewesen war, die Erwartungen ihrer Familie zu erfüllen und das Zeitliche zu segnen, sondern auch Anna kurz vor ihrer Hochzeit einem plötzlichen Fieber erlag, blieb Georgiana als einzige Erbin des Vermögens ihres Vaters Henry übrig. Und als Henry vor zehn Jahren still aus dem Leben geschieden war, hatte George zu seinem Vater gesagt: »Wir haben so viel Geld, dass ich gar nicht weiß, wohin damit.«
Darüber hätte er sich nun wirklich keine Sorgen machen müssen. In Windeseile erschien eine Horde liebenswürdiger Menschen – Architekten und Künstler, Schreiner, Teppichverkäufer, Silberschmiede, Antiquitätenhändler und Pferdezüchter – auf der Bildfläche, die alle etwas zu verkaufen hatten. Sogar ein Philosoph war dabei. »Keine Sorge«, versicherten sie George. »Wir haben da ein paar Ideen.« Und George unterstützte und förderte sie alle, ohne dass es sein Vermögen deutlich verringerte. Mein Gott, war der Mann
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