Die Rebellen von Irland
auf ihre Seite zu ziehen, der mehr als vier Fünftel der irischen Bevölkerung angehörten – die Katholiken. Geachtete Männer wie Patrick verkündeten zwar ihre Loyalität – natürlich weil sie hofften, dadurch eine bessere Behandlung zu erreichen –, aber das hinderte die Patrioten nicht daran, ihnen zu versprechen, dass sie viel mehr für sie tun würden als die Regierung. »Freier Handel für Irland. Und dann Schluss mit den bösartigen, veralteten Strafgesetzen, die für jeden Katholiken eine Beleidigung darstellen«, forderte Grattan jetzt. Nicht alle protestantischen Patrioten standen voll und ganz hinter dieser Forderung, aber Grattan hatte sie davon überzeugt, ihn zu unterstützen. »Das wird der Regierung Angst einjagen«, betonte er. »So geraten sie unter Druck und müssen wenigstens ein paar unserer Forderungen erfüllen.« Moralische Überzeugung oder gerissenes, politisches Kalkül?
Schwer zu sagen. Aber auf jeden Fall beeindruckende Politik.
»Ich werde die Patrioten unterstützen«, sagte John MacGowan.
Georgiana fragte Patrick am folgenden Tag über seinen Freund aus.
»Ich wollte ihn nicht darauf ansprechen, aber wie kam es dazu, dass er aus einem Fenster geworfen wurde?«
Patrick erzählte ihr eine gekürzte Version des betreffenden Abends, einige Aspekte ließ er vollständig unter den Tisch fallen.
»Warum hat er sie nicht gerichtlich belangt?«
»Damit hätte er nur jeden protestantischen Dubliner Kaufmann für den Rest seines Lebens gegen sich aufgebracht. Es war klüger, nichts zu sagen. Seine Rache besteht darin, dass er reicher sterben wird als die meisten von ihnen.«
»Aber Hercules gehört doch auch zu diesem Club. Hatte er etwa etwas mit diesem Vorfall zu tun?«
»Vielleicht war er anwesend«, gab Patrick zu. »Es waren viele Leute da. Aber er hatte nichts damit zu tun, dass man John aus dem Fenster geworfen hat«, versicherte er ihr eilig. »Überhaupt nichts.«
An jenem Abend erzählte Georgiana ihrem Ehemann von ihrer Begegnung mit John MacGowan.
»Ich fühle mich irgendwie schuldig, George, auch wenn Hercules nicht für sein Unglück verantwortlich war. Ich wünschte, wir könnten ihn irgendwie entschädigen. Bestimmt hat sein Geschäft in letzter Zeit gelitten«, fügte sie hinzu. »Vielleicht könntest du da etwas arrangieren.«
»Was seine körperliche Verletzung angeht, bin ich deiner Meinung«, erwiderte er. »Aber sein Geschäft hat wahrscheinlich nicht gelitten. Das Embargo gegen Amerika ist zwar nicht besonders beliebt, aber die Lebensmittelhändler haben so viele Aufträge von der britischen Armee und Marine erhalten, dass dieser Krieg sie wahrscheinlich bereichern wird. Ich weiß, dass die Salzfleischhändler drunten in Cork wahre Vermögen verdient haben.« Er lächelte. »Aber sei’s drum. Ich werde mit einigen Beamten aus der Burg sprechen. Mal sehen, was sich tun lässt.«
Einen Monat später erhielt John MacGowan einen Großauftrag: Er sollte die britische Armee mit Salzrindfleisch versorgen. Als Georgiana ihm auf der Straße begegnete, kam MacGowan sofort auf sie zu und verbeugte sich tief vor ihr.
»Ich weiß sehr genau, wem ich für diesen Auftrag zu danken habe, Lady Mountwalsh.«
»Sind Sie jetzt besser auf uns zu sprechen?«, fragte sie.
»Nein. Aber ich bin reicher«, antwortete er lächelnd.
Sie erzählte Hercules nichts davon.
»Patrick und sein Freund MacGowan werden früher als gedacht Genugtuung erfahren«, sagte George ihr kurze Zeit später. Henry Grattans Strategie hatte sich bewährt. Die Londoner Regierung wurde zunehmend nervöser. Der Krieg mit der amerikanischen Kolonie weitete sich zu einem größeren Konflikt aus, der Handel litt, Truppen mussten ausgehoben werden. Das Letzte, was London jetzt noch gebrauchen konnte, wäre Unruhe im eigenen Herrschaftsgebiet. Wenn Grattan die Katholiken aufpeitschte, dann war es an der Zeit, ihm entgegenzukommen.
»Sie wollen nicht den Anschein erwecken, dass sie den irischen Patrioten nachgeben«, erklärte George. »Da das Strafrecht in allen drei Ländern gleich ist, wollen sie in Westminster zuerst ein allgemeines Gesetz für England und Schottland verabschieden und es dann auf Irland ausweiten.« Aber kurze Zeit später kam Lord Mountwalsh abends nach Hause und sagte kopfschüttelnd: »Die Gesetzesentwürfe für England und Schottland wurden fallen gelassen.«
»Hassen die englischen Abgeordneten die Katholiken denn wirklich so sehr?«, fragte Georgiana.
»An denen liegt es nicht.
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