Die Rebellen von Irland
MacGowan eigentlich? William war der Sohn eines Mannes, den er hasste und der umgekehrt ihn hasste. Andererseits war William der Enkel einer alten Freundin. Und ein Verwandter Patricks, der ihm sehr nahe gestanden hatte.
Was konnte er überhaupt für ihn tun? Die einzig denkbare Hilfe war, mit William zu sprechen und ihn zur Flucht zu überreden. Aber wie konnte er ihn finden? Nur indem er sich den Verschwörern anschloss. Und dann? Würde seine Großmutter ihn entführen? Wahrscheinlich, dachte er und musste lächeln.
Doch wenn er sich um ihretwillen mit den Verschwörern einließ, gefährdete er sein eigenes Leben. Er hatte ’98 Glück gehabt, nicht selbst verhaftet zu werden. Vielleicht hatte er diesmal weniger Glück. Schönes Geschenk für seine Enkel – den Großvater an einer Brücke hängen zu sehen. Nein, dann sollte lieber der junge William hängen. Seufzend schob er den Gedanken an William beiseite.
Fast eine Woche lang überlegte MacGowan täglich hin und her.
Am Freitagabend, dem 22. Juli, sah der Tabakhändler Smith zu seiner Überraschung einen Besucher vor seiner Haustür warten. Es handelte sich um John MacGowan, der sagte, er wolle sich den Rebellen nun doch anschließen. Smith musterte ihn misstrauisch.
»Warum hast du deine Meinung geändert, John? Hat das mit dem jungen Walsh zu tun, nach dem du gefragt hast?«
MacGowan war auf diese Frage vorbereitet. »In gewisser Weise ja. Ich dachte mir, wenn er mitmacht, warum dann nicht ich?«
»Und wenn er nicht mitmacht?«
MacGowan grinste. »Wenn du nicht mitmachst, mache ich auch nicht mit.«
»Du willst dein Leben riskieren?«
»Es wäre nicht das erste Mal. Meine Kinder sind erwachsen.«
Smith nickte nachdenklich. Dann betrachtete er MacGowan lange Zeit stumm.
Mac Gowan wusste, was Smith dachte. Hatte der alte Kamerad sich womöglich in einen Doppelagenten verwandelt? So etwas war vorgekommen. Das Schweigen dauerte lange. Schließlich brach MacGowan es.
»Wenn du mir nicht traust, gehe ich lieber wieder«, sagte er. »Die Angst, einen Verräter in den eigenen Reihen zu haben, richtet mehr Schaden an, als ich euch nützen könnte.« Er wandte sich zum Gehen. Es tat ihm leid, dass er keinen Erfolg gehabt hatte, doch zugleich war er erleichtert. Wenigstens hatte er es versucht. Sein Gewissen war rein. Er war erst ein Dutzend Schritte gegangen, da hörte er Smiths Stimme hinter sich.
»Morgen Vormittag in der Thomas Street, gleich hinter der Marshalsea Lane.«
***
Am späten Samstagvormittag wimmelte es in Emmets Hauptquartier vor Leuten. Hunderte Männer waren aus Kildare eingetroffen. Ständig tauchten neue Fragen auf. »Wo sind die Donnerbüchsen? Wir brauchen mehr Munition. Wer hat dieses Pulverfass geleert?« William musste immer wieder Besorgungen erledigen. Einige hundert weitere Rebellen kamen aus Wexford an. Man überredete sie, im Lagerhaus drunten am Kohlenquai zu warten. Eine weitere Gruppe von Rebellen aus Dublin versammelte sich in einem Haus in der Plunkett Street. Finn O’Byrne war zurückgekehrt. Er habe die Nachricht überbracht, sagte er. Wann die Männer aus Wicklow eintreffen würden, wusste er nicht.
Inmitten des Chaos war ein willkommener Neuzugang eingetroffen: John MacGowan. Bei seiner Ankunft am frühen Vormittag hatten ihn mehrere Männer willkommen geheißen. Jetzt arbeitete er Seite an Seite mit William. Nach außen schien er vollkommen ruhig.
»Es bleibt bei zehn Uhr heute Abend«, bestätigte Emmet. »Wir schießen eine Rakete ab, begeben uns zum Kohlenquai hinunter, sammeln die Männer aus Wexford ein und marschieren direkt zur Burg.«
Finn O’Byrne, der angeblich die ganze Nacht unterwegs gewesen war, sagte, er wolle sich zu Hause noch etwas ausruhen, versprach aber, später am Tag wiederzukommen.
***
Georgiana fand keine Ruhe. Dass sie von William geträumt hatte, überraschte sie nicht. Nicht Angst verspürte sie, sondern die ruhige Gewissheit, dass William Gefahr drohte. Sie hatte andere von einer solchen geheimnisvollen Verständigung einander nahe stehender Menschen reden hören. Doch sie wusste nicht, was sie unternehmen sollte.
Am späten Vormittag ließ sie ihre Kutsche anspannen. Sie fuhr zuerst zur Grafton Street, weil sie William dort gesehen hatte. Dann begab sie sich zu MacGowans Haus. Dort erfuhr sie, MacGowan werde den ganzen Tag abwesend sein. Anschließend fuhr sie zur Verwirrung ihres Kutschers ziellos die Dame Street entlang. An der Burg drehte sie um. Sie hoffte auf einen
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