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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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sind spät dran, nicht wahr?«, fragte Marian. Obwohl sie die ganze Nacht über gehustet und kaum eine Stunde geschlafen hatte, sah sie so glücklich aus wie seit Monaten nicht mehr.
    »Mach nicht schneller, als du kannst«, sagte Cole.
    »Wir dürfen Mr. Green nicht warten lassen. Wenn ich daran denke, wie viel Geld du ausgegeben hast.«
    »Red nicht immer vom Geld, mein Engel, deine Gesundheit ist viel wichtiger. Und du, Hardy, geh jetzt in die Küche. Deine Mutter will sich anziehen.«
    »Aber dann kann ich ja gar nichts mehr sehen!«
    »Raus mit dir! Keine Widerworte!«
    Während Hardy protestierend den Raum verließ, schloss Cole die Tür hinter ihm.
    Wie hasste er die enge Wohnung – immer war jemand zu viel in den winzigen Zimmern! Sie befand sich zwar in Belgravia, einem der vornehmsten Viertel Londons, doch war sie nicht für eine ganze Familie, sondern nur für ein Butlerehepaar oder ein paar Dienstboten vorgesehen, hoch oben unter dem Dach eines Hinterhauses am Hamilton Place, von wo aus man statt in den Hyde Park auf einen Hof und die Rückseite der Vorderhäuser blickte. Cole hatte sie nur gemietet, damit auf seiner Visitenkarte eine vorzeigbare Adresse stand.
    »Streck deine Arme aus«, sagte er und nahm das Kleid vom Stuhl, das sie am Abend zuvor bereitgelegt hatten.
    Wie ein Kind folgte Marian seiner Aufforderung. Dabei sah sieso armselig aus, dass es ihm einen Stich versetzte. Ihr einst so üppiger Körper schien nur noch aus Hautfalten zu bestehen.
    »Immer falle ich dir zur Last«, sagte sie, während er ihr das Kleid überstreifte. »Weißt du noch, wo ich die Kette hingetan habe?«
    »Ich glaube, du hast sie unter das Kopfkissen gelegt.«
    »Ach ja, natürlich! Wie konnte ich das nur vergessen?«
    Cole schielte zum Fenster. Es war höchste Zeit. Er hatte den Ballonführer Mr. Green gebeten, Emily den Mechanismus des Luftschiffs zu erklären, für den Fall, dass er sich verspätete. Und er verspätete sich immer mehr. Marian hustete. Er hatte ihr immer noch nicht gesagt, dass sie die Fahrt verschieben mussten.
    »Meinst du, dass du es heute überhaupt schaffst?«, fragte er.
    »Aber sicher, Henry. Glaubst du etwa, ich mache an so einem Tag schlapp?«
    »Ich will nur nicht, dass wir etwas falsch machen. Der Arzt hat gesagt, wir dürfen nur aus dem Haus, wenn es dich nicht zu sehr anstrengt. Du darfst dich auf keinen Fall übernehmen.«
    »Ach, Henry. Immer zerbrichst du dir meinen Kopf.« Schon wieder musste sie husten. »Aber sag mal, was riecht hier so? Brennt in der Küche was an?«
    »Du lieber Himmel, das Porridge!«
    Cole lief in die Küche, wo Vicky und Blanche, die vierjährigen Zwillinge, schon am Tisch saßen, die Lätzchen vor der Brust und die Löffel in der Hand.
    »Ich hab Hunger, Papa!«
    »Ich auch! Ganz schrecklich!«
    Auf dem Herd qualmte der Topf. Hardy stand auf der Fensterbank und schaute hinaus.
    »Konntest du nicht aufpassen?«, rief Cole. Er nahm einen Topflappen und zog das Porridge vom Herd. »Herrgott, wie das stinkt! Alles angebrannt!«
    Aus dem Schlafzimmer hörte er Marian husten – sie bekam gerade einen Anfall. Er ließ den Topf stehen und eilte zurück.
    »Um Himmels willen!«
    Als Cole die Tür aufmachte, sah er Marian zuerst gar nicht. Sie war auf den Boden gesunken, mit der einen Hand umklammerte sie den Bettpfosten, in der anderen hielt sie ihre Kette mit der Medaille der Society, die er vor ein paar Monaten für sie hatte einfassen lassen. Ihr Kleid war auf der Brust voller Blut.
    »Ich… ich glaube, ich schaffe es doch nicht«, flüsterte sie. »Bist du… bist du mir böse?«
    »Aber nicht doch, Marian. Wie kannst du so etwas nur sagen?« Cole beugte sich zu ihr und hob sie vorsichtig aufs Bett. »Du bist so tapfer, mein Engel.«
    »Und du… bist so lieb.«
    Cole knöpfte ihr Kleid auf, um ihr nicht in die Augen zu schauen. Er fühlte sich so schäbig, dass er sich selber hasste. Konnte ein Mann eine Frau abscheulicher hintergehen als er? Doch gleichzeitig wünschte er sich nichts sehnlicher, als so schnell wie möglich bei Emily zu sein.
    »Weißt du was?«, sagte er. »Wir holen die Fahrt einfach ein andermal nach. Sobald es dir wieder besser geht…«

8
     
    Was für eine wunderbare Überraschung! Was für ein großartiger Liebesbeweis ihres Verlobten! Voller Begeisterung hörte Emily dem Luftschiffer zu. Mr. Green, ein kleiner drahtiger Mann in Stiefeln, Kniehosen und Ballonmütze, war mit über zweihundert Luftfahrten der erfahrenste Aeronaut von

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