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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Verlobter.
    »Sie – Mr. Cole?« Mehr brachte sie nicht heraus.
    »Guten Abend, Miss Paxton«, sagte er und lüftete den Hut.
    »Darf ich eintreten?«
    Emily war so überrascht, dass sie einen Schritt zur Seite machte.
    »Was … was wollen Sie von mir?«
    Verlegen drehte Cole seinen Hut in der Hand. »Ihre Eltern machen sich große Sorgen. Sie haben im
Northern Star
ein Bild gesehen, das an Ihre Art zu zeichnen erinnert, und gaben mir deshalb den Auftrag …«
    »Wie können Sie es wagen, hinter mir herzuschnüffeln?«
    »Was für ein hässliches Wort, Miss Paxton. Nein, Ihre Eltern haben Angst um Sie. Ist das verwunderlich? Schließlich glaubten sie, Sie wären in Manchester, bei Ihrer Tante. Und wie sich herausstellt, war ihre Sorge nur allzu berechtigt.«
    Cole schaute sie an, mit seinen wachen, intelligenten Augen. Konnte er sehen, was in ihrem Innern vorging? Emily spürte, wie ihr wieder die Tränen kamen, und kniff sich selber in die Hand, um sie zu unterdrücken. Nur das nicht! Nur keine Blöße vor diesem Menschen!
    »Und wenn schon«, sagte sie, »was geht Sie das an? Ich glaube, Sie sind der Letzte, der das Recht hat, mir irgendwelche Vorhaltungen zu machen.«
    Cole nickte. »Ja, ich weiß, Sie müssen mich verachten, und nach allem, was passiert ist, haben Sie dazu jedes Recht der Welt. Trotzdem bitte ich Sie, mir zu vertrauen, nur noch dieses eine Mal.«
    »Ich, Ihnen vertrauen?«, fragte Emily mit dem ganzen Hochmut, zu dem sie fähig war. »Wie komme ich dazu?«
    Wieder begann Cole, mit seinem Hut zu drehen. »Ich … ich bin kein so schlechter Mensch, wie Sie glauben. Ich war verblendet, nicht Herr meiner selbst, verblendet von meiner Liebe zu Ihnen. Sie haben mich vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht, wie noch nie ein Mensch zuvor.« Er stockte, als wären ihm seine Worte peinlich. »Das ist alles, was ich zu meiner Entschuldigung anführen kann, Miss Paxton.«
    Emily erwiderte seinen Blick. Als sie seine Zerknirschung sah, seine ehrliche, aufrichtige Reue, schossen ihr plötzlich die Tränen mit solcher Macht in die Augen, dass sie sie nicht länger zurückhalten konnte.
    Cole legte den Hut beiseite und griff nach ihrer Hand. »Bitte, kommen Sie mit, Miss Emily. Ich bringe Sie zurück nach Hause, zu Ihren Eltern. Dorthin, wohin Sie gehören.«
    Ohne dass sie es wollte, überließ Emily ihm ihre Hand. Seine Hand fühlte sich so fest und warm und vertraut an wie früher, und von ihrem Druck ging eine Kraft auf sie über wie ein sanfter, stärkender Strom. Emily hatte gar nicht gewusst, wie sehr sie solchen Halt vermisst hatte! Für einen Moment stellte sie sich vor, wie es sein würde, wieder zu Hause zu sein, in ihrer gewohnten Umgebung, wo das Leben so viel leichter und unbeschwerter war. Es war so einfach, dorthin zu gelangen. Sie brauchte nur mit Cole diesen Raum zu verlassen und den Wagen zu besteigen, der draußen sicher schon irgendwo auf sie wartete, und in wenigen Minuten wäre sie da. »Sind Sie eigentlich schon im Kristallpalast gewesen?«, fragte Cole.
    Emily schüttelte den Kopf.
    »Wir haben Sie bei der Eröffnung alle so vermisst. Sogar der Prinzgemahl hat sich nach Ihnen erkundigt.«
    »Der Prinzgemahl?«, fragte Emily. »Nach mir? Wirklich?«
    Cole lächelte sie an. »Ja, Miss Emily. Auch wenn Seine KöniglicheHoheit natürlich nur ahnen kann, was wir Ihnen verdanken. Ohne Sie hätte es die Weltausstellung ja gar nicht gegeben – Sie haben uns doch immer wieder Mut gemacht, wenn wir schon aufgeben wollten, das weiß keiner besser als ich.« Er drückte ihre Hand. »Wissen Sie noch, wie Sie damals die Idee der Weltausstellung nannten, bei unserer ersten Begegnung? Eine zweite Schöpfung … Genau das ist sie geworden. Nur noch viel größer und schöner und herrlicher, als wir es uns damals erträumt haben. Das Paradies ist Wirklichkeit geworden, Miss Emily. Wollen Sie es sich nicht endlich ansehen?«
    Emily schloss für eine Sekunde die Augen. Plötzlich sah sie wieder das Gesicht des Ordners vor sich, der ihr den Zugang zum Kristallpalast verwehrt hatte, seinen verächtlichen Blick, als er sie durch seine Lorgnette fixierte. Die Tatsache, dass sie von dem großen Fest ausgeschlossen war, dass sie die Schätze, die die Menschen und Völker aus allen Teilen der Erde unter der gläsernen Kuppel im Hyde Park zusammengetragen hatten, niemals sehen würde, machte sie unendlich traurig.
    »Auch wenn es mich nichts angeht«, sagte Henry Cole leise, »und ich keinerlei Recht habe,

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