Die Rebellin
des Kindes gesorgt habe.« Und obwohl es nicht ganz der Wahrheit entsprach, fügte er hinzu: »Ich habe in Paris an nichts anderes denken können.«
»Wenn es nicht um deine Tochter ginge, ich hätte allen Grundzur Eifersucht.« Sarah gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Aber jetzt müssen wir uns beeilen. Der Prinzgemahl wartet schon.«
»Der Prinzgemahl kann mich mal«, sagte Paxton. »Ich will jetzt in die Badewanne!«
»Ich fürchte, für solche Extravaganzen musst du dich noch ein wenig gedulden. Hast du den Friedenskongress vergessen? In der Exeter Hall sind über tausend Menschen versammelt, doch Albert will die Eröffnungsrede erst halten, wenn du da bist.«
Die Kutsche stand schon vor dem Bahnhof bereit, und kaum waren sie eingestiegen, zogen die Pferde an. Während der Wagen in scharfem Tempo die Southwark Street entlangfuhr, um die ewig verstopfte London Bridge zu vermeiden, wechselte Paxton den Anzug. Als er den Frack, der von den zahllosen Empfängen in Paris ganz zerknittert war, aus der Kleiderkiste holte, roch er am Revers das süße Veilchen-Parfüm, das immer noch im Stoff hing. Mit schlechtem Gewissen schielte er zu Sarah hinüber. »Mimi« hatte das kleine Luder geheißen, der Pariser Bürgermeister hatte es persönlich für ihn ausgesucht, als sie nach dem Bankett bei Staatspräsident Louis Napoléon jenes charmante Etablissement unweit der Börse aufgesucht hatten. Als »Rendez-vous avec le Président du Sénat« hatte dieser Teil des Programms im Protokoll firmiert. Paxton schloss für eine Sekunde die Augen. Diese Mimi hatte Sachen mit ihm angestellt – noch bei der Erinnerung daran wurde er rot … Wenn nur das verfluchte Jucken nicht wäre. Hoffentlich hatte er sich bei dem kleinen Luder kein Andenken gefangen.
»Übrigens«, sagte Sarah. »Cole erwartet dich ebenfalls. Wenn du ein paar Minuten Zeit für ihn hast, würde er dich gern sprechen. Unter vier Augen.«
»Unter vier Augen?«, fragte Paxton. »In welcher Angelegenheit?«
»Das hat er mir nicht verraten. Er hat nur von irgendwelchen Informationen geredet, die er für dich besorgen sollte.«
Sarahs Antwort irritierte Paxton so sehr, dass er darüber vergaß, sich die Schleife zu binden. Was für Informationen waren damit gemeint? Er hatte Cole vor Antritt der Reise gebeten, einen Rapport über die Umsetzung ihres Plans zur Belebung des Eisenbahngeschäfts vorzubereiten. Aber er hatte ihn auch gebeten, Nachforschungen beim
Northern Star
anzustellen, um herauszufinden, ob tatsächlich Emily hinter diesen ominösen Zeichnungen steckte.
»Was trödelst du herum, Joseph?«, fragte Sarah. »Wir sind in fünf Minuten da.«
Die Exeter Hall war in London der Ort, an dem für gewöhnlich die evangelische Mission ihre Bekehrungsveranstaltungen abhielt, und auch bei Paxtons Ankunft roch es im Foyer des Gebäudes förmlich nach Frömmigkeit, denn zwischen den Delegierten des Kongresses wimmelte es nur so von Geistlichen und Predigern aller Konfessionen. Die Veranstaltung war Coles Idee gewesen, um öffentlich den Frieden stiftenden Charakter der Weltausstellung zu demonstrieren. Doch dafür hatte Paxton im Augenblick wenig Sinn. Während Sarah in den Festsaal vorausging, um den Prinzgemahl von seiner Ankunft in Kenntnis zu setzen, suchte er nach einer Toilette.
»Gut, dass Sie da sind, Sir. Es breitet sich schon eine gewisse Unruhe aus.«
Henry Cole stand vor ihm und schüttelte ihm die Hand. In seiner Not nahm Paxton ihn mit auf den Abort.
»Was gibt es denn für Neuigkeiten, wegen denen Sie mich so dringend sprechen müssen?«, fragte er über die Schulter, während er versuchte, sein Wasser abzuschlagen. »Ich hoffe, die Dinge haben sich in unserem Sinn entwickelt?«
»Das kann man wohl sagen«, erwiderte Cole, der diskret im Waschraum wartete. »Die Ankündigung der Schillingstage haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Mr. Cook kann sich vor Buchungen kaum retten. Und die Aktien der Midland Railway sind in die Höhe gestiegen, dass einem schwindlig werden kann.«
»Gott sei Dank!«, sagte Paxton erleichtert. »Ich wusste ja, dass ich mich auf Sie verlassen kann.«
»Zu gütig, Sir, aber ich habe nur meine Pflicht getan.«
»Papperlapapp! Sie haben jetzt einen Wunsch bei mir frei, versprochen ist versprochen. Haben Sie schon eine Idee, wie ich mich erkenntlich zeigen kann?«
»Wenn Sie wirklich so freundlich sein wollen, Sir – ich … ich würde der Königin gern meine Frau vorstellen.«
Paxton verzog das Gesicht.
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