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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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plötzlich losbrach.
    Henry Cole hatte keine Ahnung, was passiert war, er spürte nur, wie die ausbrechende Panik auch von ihm Besitz ergriff. Alles um ihn her schrie und rannte durcheinander, und während der ganze Palast von der explodierenden Menschenmenge zu bersten schien, stand er wie versteinert da, betäubt und gelähmt von dem Gedanken, dass dieses Inferno ihm persönlich galt, als sein persönliches Strafgericht. Nur die Königin blieb von der alles beherrschenden, alles durchdringenden Angst unberührt – die Königin und Marian, seine Frau, die zu Füßen des Thrones neben ihm stand und ihn mit ihren blauen Augen ansah.
    »Sei ganz ruhig, Henry«, sagte sie. »Uns wird nichts geschehen.«Und tatsächlich, sie hatte es kaum ausgesprochen, da legte sich der Aufruhr, und die Panik löste sich fast ebenso schnell wieder auf, wie sie entstanden war. Feldmarschall Wellington, der Sieger von Waterloo, hatte den Tumult verursacht. Er war ohne Ankündigung im Pavillon erschienen, und seine Gegenwart hatte solche Begeisterungsstürme entfacht, dass alle Besucher, die ihn nicht sahen, angenommen hatten, eine Katastrophe sei passiert.
    »Wie konntest du dir so sicher sein?«, fragte Cole seine Frau, während ein paar Gardisten Wellington aus dem Gebäude eskortierten. »Du hattest gar keine Angst.«
    Statt einer Antwort lächelte Marian ihn nur an. War es die vertraute Nähe des Todes, die sie so stark machte? Oder war es die Hoffnung, den Tod überwunden zu haben? Henry Cole wusste es nicht. Er sah nur seine Frau und war dankbar. Der Respirator des deutschen Ingenieurs hatte ein wahrhaftes Wunder bewirkt. Nur fünfmal hatte Marian mit dem Apparat eine Mixtur aus ätherischen Ölen inhaliert, doch schimmerte ihr Teint an diesem Tag so rosig wie der eines jungen Mädchens.
    »Ich glaube, sie hat uns Glück gebracht«, sagte Marian und berührte mit der Hand die Medaille, die sie an einer Kette um den Hals trug.
    Da ertönte vom Thron eine Stimme. »Wie lange wollen Sie mich noch warten lassen?«
    Voller Ungeduld blickte Queen Victoria auf sie herab.
    Cole reichte Marian die Hand, und den Blick auf die Herrscherin gerichtet, flüsterte er ihr zu: »Hast du gehört? Die Königin wartet auf dich.«
    »Ja, Henry«, flüsterte Marian ebenso leise und drückte seine Hand. »Genau wie du mir versprochen hast.«
    Mit langsamen, verzögerten Schritten, wie es das Zeremoniell verlangte, stiegen sie die Stufen zum Thron empor. Plötzlich empfand Henry Cole eine Leichtigkeit, wie er sie schon lange nicht mehr verspürt hatte. In all den Wochen und Monaten, indenen er seine ganze Kraft und Energie auf die Verwirklichung seiner Idee verwandt hatte, war er sich selber so fremd geworden, dass er kaum noch gewusst hatte, wer er eigentlich war. Doch jetzt war er wieder er selbst, und um nichts in der Welt hätte er mit Joseph Paxton getauscht, der heute zum Ritter geschlagen würde und hinter dem Prinzgemahl stand und betreten auf seine Fußspitzen sah, nur um Marian nicht anschauen zu müssen.
    »Mrs. Henry Cole«, rief der Zeremonienmeister und klopfte dreimal mit seinen Stab.
    Mit einem Hofknicks sank Marian zu Boden, und als Henry Cole das Strahlen in ihren Augen sah, ein helles blaues Leuchten, das ihrer Seele selbst zu entströmen schien, wusste er, dass dies der glücklichste Augenblick in ihrem Leben war. Und auch wenn das Wunder, das der deutsche Ingenieur an ihr bewirkt hatte, nur diesen einen Tag lang dauern sollte, konnte doch niemand ihnen beiden diesen Augenblick jemals mehr nehmen.

17
     
    Herrgott, wie lange dauerte das nur?
    Während Emily am Eingang des unterirdischen Korridors darauf wartete, dass Mr. Plummer mit dem Ingenieur zurückkehrte, kam ihr jede Sekunde wie eine Minute vor. Gedämpft durch den Plafond, hörte sie die Geräusche aus dem Pavillon, das Lachen und Rufen der Menschen, die dort oben, nur ein paar Armlängen über ihr, durch die Ausstellung pilgerten, ohne zu ahnen, dass der Kristallpalast ein Gefängnis war, das sie vielleicht nie wieder lebend verlassen würden.
    Konnte sie verantworten, was sie tat? Bei ihrer Ankunft in der Halle hatte sie schon einen der Gardisten angesprochen, dieüberall im Transept patrouillierten, um Victor anzuzeigen, doch dann hatte sie es nicht über sich gebracht. Wenn sie Victor anzeigte, würde man ihn für immer ins Gefängnis werfen, vielleicht sogar zum Tod verurteilen – genauso gut konnte sie ihn mit ihren eigenen Händen umbringen! Um die Katastrophe

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