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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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dieses Geheimnis bei den Menschen zu ergründen, im Zusammenwirken ihrer Werke.
    »Ich glaube«, sagte sie, »unsere Interessen sind gar nicht so verschieden. Wenn ich Sie recht verstehe, Mr. Cole, ist die Weltausstellung nichts anderes als eine Art, wie soll ich mich ausdrücken – zweiter Schöpfung.«
    »Was sagen Sie da?« Er zog ein so überraschtes Gesicht, dass sie für einen Moment glaubte, sie hätte ihn mit ihrer Bemerkung verärgert. Doch dann lächelte er sie an, wie noch kein Mann sie bisher angelächelt hatte. »Was für ein wunderbarer Vergleich, Miss Paxton. Ich glaube, schöner kann man es gar nicht ausdrücken.«

11
     
    Es war schon fast Mitternacht, als Emily das Kinderzimmer betrat, um auf Anordnung ihrer Mutter noch einmal nach ihren drei jüngsten Geschwistern zu schauen. Rosa und Annie lagen wie immer Gesicht an Gesicht in ihrem kleinen Doppelbett, wie ein altes Ehepaar, während ihr dreizehnjähriger Bruder Georgey, der einzige Sohn der Familie, mit den
Heldensagen
in der Hand eingeschlafen war, die Mr. Cole ihm geschenkt hatte. Vorsichtig, damit Georgey nicht aufwachte, nahm Emily ihm das Buch aus der Hand. Wirklich erstaunlich, dachte sie, als sie den prachtvoll bebilderten Band auf den Nachtkasten legte, dass ein Mann, der selber keine Kinder hatte, sich so einfühlsam in Kinderseelen hineinversetzen konnte.
    Sie löschte das Licht und verließ auf Zehenspitzen das Zimmer. Es war noch gar nicht lange her, dass sie selbst mit ihren älteren Schwestern in einem Raum geschlafen hatte. Erst seit Victoria, Laura und Blanche im Internat waren, hatte sie ein eigenes Zimmer. Jetzt konnte sie sich kaum noch vorstellen, wie es war, mit einem anderen Menschen in einem Raum zu schlafen. Ob sie sich wohl je wieder daran gewöhnen könnte?
    Sie wollte gerade in den Salon zurückkehren, da hörte sie die Stimme ihrer Mutter.
    »Nun, Joseph, was für einen Eindruck hast du von Mr. Cole? Um die Wahrheit zu sagen, erinnert er mich in verblüffender Weise an dich, als wir uns kennen gelernt haben.«
    Überrascht blieb Emily stehen, um die Antwort ihres Vaters abzuwarten. Durch den Türspalt sah sie, wie er sich eine Zigarre statt einer Zigarette ansteckte. Das tat er nur bei wirklich besonderen Gelegenheiten.
    »Erstaunlich«, sagte Paxton, »dass ein so kleiner Mann einen so großen Gedanken hervorbringen kann.«
    »Dann bist du also zufrieden«, fragte Sarah, »dass ich ihn eingeladen habe?«
    Paxton betrachtete nachdenklich die Glut seiner Zigarre. »Die Weltausstellung kann den endgültigen Durchbruch der Eisenbahn bedeuten. Ein solches Ereignis, vorausgesetzt, es kommt wirklich zustande, wird Hunderttausende von Menschen anziehen, aus ganz England, und all diese Massen müssen befördert werden. Da schlummern Möglichkeiten, von denen wir uns vielleicht noch gar keine Vorstellung machen.«
    »Und welche Konsequenz ziehst du daraus?«
    »Wie gut du mich doch kennst«, erwiderte er mit einem Lächeln. »Ja, meine Liebe, man müsste darüber nachdenken, jetzt ernsthaft in die Eisenbahn zu investieren. Ich glaube, es wäre der richtige Zeitpunkt.«
    »Du meinst, du willst noch mehr Aktien der Midland Railway kaufen? Aber wir haben doch schon so viele, dass wir das Hausdamit tapezieren können. Meine ganze Mitgift steckt darin. Fünftausend Pfund!«
    »Sicher, ich weiß, das ist eine Menge Geld.« Er nahm einen Zug von seiner Zigarre, bevor er weitersprach. »Aber ich denke an ein wirkliches Engagement, Sarah, an den ganz großen Coup, und zwar jetzt gleich, bevor die Spekulanten an der Börse von Mr. Coles Plänen erfahren. Wenn sich das erst herumspricht, werden die Aktienpreise explodieren.«
    Als Emily das hörte, betrat sie den Salon.
    »Mr. Cole ist vielleicht klein von Statur«, sagte sie, »aber ich bin sicher, er hat eine große Zukunft.«
    »Ach, meinst du?«, fragte ihr Vater und paffte eine Rauchwolke in die Luft.
    »Und ob! Wir erleben es in Chatsworth ja jetzt schon. Seit es den Bahnhof in Rowsley gibt, kommen jede Woche Hunderte von Leuten, um die Gärten zu besichtigen. Erinnere dich nur an die Abstinenzlergesellschaft letztes Jahr – zweitausend Besucher an einem Wochenende! Bloß wegen ein paar Pflanzen und Teichen! Und das ist doch nichts im Vergleich zu dem, was Mr. Cole vorhat.«
    »So, so, meine Gärten sind also nichts in deinen Augen? Interessant!«
    »Jetzt sei nicht beleidigt, Papa. Du weißt genau, wie ich das meine. Deine Gärten sind wunderbar, aber die Weltausstellung, das

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