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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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und lächelte ihn an. »So hübsche rote Haare, an die wird sich jeder erinnern.«
    Toby hatte auf einmal ein Gefühl, als würde ihm jemand eine Hand um die Kehle legen und ganz langsam zudrücken. Trotzdem schüttelte er den Kopf.
    »Nein«, wiederholte er. »Macht, was ihr wollt. Aber ohne mich.«
    »Von wegen«, sagte Robert. »Oder willst du, dass es deinem Freund Victor an den Kragen geht?«
    »Was zum Teufel hat Victor damit zu tun?«
    Robert zuckte die Schultern. »Nichts. Außer, dass jeder Apotheker, bei dem wir waren, seinen Namen und seine Adresse kennt. Du selbst hast sie ihnen verraten. Hast du das etwa schon vergessen?«

12
     
    Es war Dienstag, der 11. Juni 1850, und die Direktionssitzung der Midland Railway hatte noch nicht eine Viertelstunde gedauert, da konnte John Ellis, der Präsident der Gesellschaft, bereits das Ergebnis zum ersten Punkt der Agenda für das Protokoll zusammenfassen:
    »Der Vorstand dankt Direktor Joseph Paxton für seine Initiative, Schutztruppen aufzustellen, um die Sicherheit auf den Bahnhöfen zu erhöhen. Diesen Truppen ist es zu verdanken, dass in den letzten Monaten keine Anschläge auf Züge und Waggons der Midland Railway mehr verübt worden sind. Die Maßnahmen, Bahnarbeiter unserer Gesellschaft zu bewaffnen und zur Bewachung unseres Eigentums abzustellen, haben sich also bewährt und werden bis auf Weiteres verlängert. Dies erscheint uns von besonderer Wichtigkeit, da die Aktienkurse sich seit dem ersten Attentat auf einen Güterzug der Gesellschaft noch nicht wieder erholt haben.« John Ellis wartete ab, bis das Murren, mit dem seine Direktionskollegen die letzten Worte kommentierten, sich gelegt hatten, und fuhr dann fort: »Darum schlage ich vor, abweichend von der Tagesordnung ein Thema vorzuziehen, das uns allen ganz besonders am Herzen liegt: die künftige Entwicklung der Eisenbahn.«
    Joseph Paxton, der in aller Herrgottsfrühe von Chatsworth aufgebrochen war, um an der Sitzung in Derby teilzunehmen,öffnete seine Aktentasche. Er hatte unterwegs ein paar Aufzeichnungen gemacht, Ideen, wie sich die Weltausstellung zum Vorteil der Eisenbahn nutzen ließ. Er selbst tat nichts lieber, als mit dem Zug zu fahren, und kannte jede Menge anderer Leute, die diese Vorliebe teilten. Sein Vorschlag war darum, überall in England eigene Agenturen der Midland Railway einzurichten, wo Besucher der Weltausstellung Tickets für die Veranstaltung und Übernachtungen in Londoner Hotels buchen konnten, zusammen mit den Fahrscheinen, einzeln oder in Gruppen, nach dem Vorbild der Firma Thomas Cook & Son, die bereits seit den vierziger Jahren Zugreisen zu unterschiedlichen Zielen im Land organisierte, nicht zuletzt nach Chatsworth. Aber hatte es überhaupt noch Sinn, diesen Vorschlag zu machen? Wenn es keine Weltausstellung gab, gab es auch keine Reisen zu veranstalten. Eine Unterlage rutschte aus seiner Mappe und fiel zu Boden. Als Paxton sich bückte, um sie aufzuheben, stutzte er. Was war das? Das Blatt einer Seerose? Verständnislos schaute er die Zeichnung an. Was hatte die in seinen Akten verloren? Verärgert wollte er sie wegwerfen, doch als er sie umdrehte, sah er auf der Rückseite ein paar Worte in Emilys Handschrift:
Mit einem dicken Kuss – Deine Muse …
    Er schüttelte den Kopf, drehte das Papier noch einmal herum und betrachtete abermals das Blatt. Warum hatte Emily es in seine Mappe gelegt? Obwohl er gerade ganz andere Sorgen hatte, konnte er nicht umhin, einmal mehr die Anschaulichkeit der Zeichnung zu bewundern. Alle Einzelheiten traten darauf so deutlich hervor wie in der Natur. Die kräftigen Rippen, die strahlenförmig nach außen strebten und doch gleichzeitig zusammengehalten wurden von zahllosen Äderchen und Adern – ein Wunder an Ökonomie, so stark und trotzdem so leicht, eine Ingenieursleistung der Natur … Plötzlich hatte Paxton ein Gefühl, als wäre ein elektrischer Stromstoß in ihn gefahren. Chatsworth, das Seerosenhaus! Das hatte er nach denselben Prinzipien konstruiert! Vor Aufregung trommelte er mit den Fingernauf den Tisch. War es das, wonach er suchte? Hatte Emily die Lösung für ihn gefunden?
    Um ihn herum entwickelte sich eine hitzige Diskussion. Voller Leidenschaft erörterten die Direktoren der Midland Railway den Geschäftsbericht, den John Ellis verlas, spekulierten über künftige Passagierzahlen und die voraussichtliche Entwicklung des Gütertransports. Nur Joseph Paxton beteiligte sich nicht an der Debatte. Ohne ein Wort zu sagen,

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