Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
»Das Ungeheuer war sehr zornig geworden und wollte seine Wut an ihr auslassen, als sie ihm die Mörderpflanze hinhielt. Da schrie es sie nicht an. Es hatte begriffen, was das Kind wollte. Nie mehr tötete es kaltblütig ohne Grund, und es verbarg auch nicht mehr seine Gefühle vor der Prinzessin.«
Elea wandte den Kopf: Ihre vor Kummer verquollenen Augen röteten sich noch stärker.
»Ich dachte, er hätte mich lieb – er hat mich belogen!«
»Er hat dich nur ein einziges Mal belogen!«, verbesserte Ceban sie heftig und drehte mit den Händen das Gesicht des jungen Mädchens zu sich herum. »Du hast ihn gefragt, ob deine echten Schwestern genauso glücklich wären wie du und auch eine Liebe Mama hätten. Er konnte dir nicht die Wahrheit sagen. Du hast so gestrahlt, und er hatte dich schon so lieb! Er hat es vorgezogen, dir diesen Traum zu lassen. Und nur aus Liebe hat er dir nie die Wahrheit gesagt.«
»Wie kannst du ihn verteidigen?«, rief sie und stieß ihren Milchbruder von sich.
Entschlossen hielt er sie mit seinen kräftigen Armen fest.
»Hör auf, dich zu wehren, ich bin noch nicht fertig mit meiner Geschichte«, befahl er. »Kurze Zeit, nachdem du abgereist warst, hat Mama uns – Estelle und mir – die Wahrheit gesagt.«
Elea wollte sich gewaltsam von ihm losmachen, aber es gelang ihm, sie festzuhalten, und er flüsterte ihr die Fortsetzung ins Ohr, das Gesicht an ihre Wange gelegt.
»Wir dachten, wenn du zurückkommen würdest, wärest du alt genug, um es zu verstehen. Aber die Liebe Mama hatte ein so schwaches Herz, das zu erschöpft und zu besorgt war wegen eurer Abwesenheit, obwohl er uns doch mehrfach besuchen kam. Ich glaube, dass sie ihn im tiefsten Innern brauchte, obwohl ihr Geist immer noch bei ihrem Ehemann war. Sie ließ zu, dass sie Stück für Stück dahinschwand. Nach deiner Rückkehr war es zu spät, sie zu heilen. Als sie starb, hat sie mich gebeten, dir den Tod deiner Mutter noch ein wenig länger zu verheimlichen. Sie wollte nicht, dass du gleich zwei Mütter auf einmal verlierst.«
Elea hatte die Augen zusammengekniffen und den Mund krausgezogen. Sie kämpfte nicht mehr gegen Ceban.
»Sag nicht mehr, dass Joran ein Ungeheuer ist – sonst sind Estelle und ich auch welche … Und außerdem, ob du es nun gewusst hättest oder nicht, du hättest doch nichts für deine Schwestern tun können!«
Elea war resigniert, aber nicht besiegt. Die Ungerechtigkeit und der Vertrauensbruch tobten noch immer in ihrem Herzen.
»Und kennst du einen guten Grund dafür, dass er mir nichts über Elisas Krankheit gesagt hat? Oder über Eline? Und meinen Vater?«
»Nein, den kenne ich nicht«, räumte er ein. »Aber du darfst Jorans Vergangenheit nicht vergessen. Ich glaube, du weißt das besser als sonst irgendjemand … Obwohl deine Anwesenheit ihn sehr verändert hat, hat er über dreihundert Jahre voll Selbstsucht und Einsamkeit hinter sich. Es darf dich nicht erstaunen, dass er von Zeit zu Zeit seinen eigenen Plänen folgt! Abgesehen davon hast du ihm zwar beigebracht, zu lieben und sich um andere zu kümmern, aber er hat dich im Gegenzug zu einer furchtlosen Kriegerin gemacht, die Gefahren gering achtet! Wenn er Elisas Erkrankung vor dir verheimlicht hat, dann sicher, um dich daran zu hindern, auf die Burg zu eilen, ohne auch nur einen Gedanken auf die Sarikeln zu verschwenden!«
»Ich hätte sehr wohl allein mit Erwans Elixier dorthin gehen können, das stimmt. Und ich habe auch vor, das zu tun!«
»Siehst du? Du bist unerträglich! Ihr wisst noch nicht einmal, ob ihr morgen mit so vielen Amalysen in die Burg eindringen könnt – das Elixier wird wahrscheinlich nicht ausreichen, um die Sarikeln zurückzudrängen. Und du hast nichts Besseres zu tun, als dich aufzuspielen, indem du unbedacht Risiken eingehst!«
Sie wollte protestieren: Ceban war bei weitem der Unverantwortlichere und Draufgängerischere von ihnen beiden! Aber er ließ ihr nicht die Zeit, das Wort zu ergreifen.
»Ich vertraue Joran. Sicher hat er dir nichts davon erzählt, weil keine Gefahr für Elisa oder eben zu viel Gefahr für dich bestand. Er hat bei der ganzen Geschichte viel zu verlieren. Ich bezweifle, dass er das alles leicht nimmt.«
Sie zog eine Schnute. Zu viel Gefahr … diese Formulierung ertrug sie nicht mehr, denn sie zog zu viele Opfer nach sich. Am Ende streckte Elea aber doch die Waffen. Ceban ließ den Kopf an ihre Schulter sinken und fuhr mit der Hand in den Rest ihres Zopfs, um ihn zu lösen.
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