Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
über den Augen.
Erwan trat vor die Wache und erklärte ihm diese Einzelheit, während er noch immer den Lustigen mimte: »Alle großen Schönheiten haben einen Makel. Diese hier hat ausgestochene Augen. Die Narbe ist sehr hässlich anzusehen«, schloss er und zog eine fürchterliche Grimasse, die den Soldaten anekelte. »Aber sie ist einfach umwerfend!«, fuhr er mit Begeisterung fort. »Sie hat eine zauberhafte Stimme und tanzt perfekt! Seine Majestät wird ihre Behinderung gar nicht bemerken. Lasst uns passieren. Unsere Nummer ist fabelhaft und wird Prinzessin Eline und dem ganzen Hof gefallen!«
Im Sprechen hatte er die Wache langsam zurückgedrängt und gezwungen, vom Karren zu steigen. Dem Soldaten fiel es schwer, den Blick von diesen Körpern loszureißen, und er kam erst wieder zu sich, als die drei Tänzerinnen ihre Umhänge wieder ordentlich zurechtgezogen hatten. Er bedeutete ihnen weiterzufahren, blieb aber nachdenklich und eigenartig berührt. Dennoch hatte er nicht den Eindruck, einen Fehler zu begehen. Er musste jeden festnehmen, der sein Gesicht verbarg. Aber die Maske war ein Mann, und der Körper, den er gesehen hatte, war eindeutig der einer Frau gewesen. Drei junge Mädchen und ein Zwerg – daran sah er nichts besonders Gefährliches.
Die vier Gefährten atmeten noch nicht auf. Beim Rumpeln der Räder über die Holzbohlen des Stegs zog sich ihnen das Herz zusammen. Reicht das Elixier aus?
Erwan musterte die Wasseroberfläche. Würde sich seine Dosierung als richtig erweisen? Das befürchtete Schimmern erschien nicht. Er ließ den Blick schweifen: Beiderseits der Brücke nahm er mehr als hundert Schritt entfernt Wellen wahr. Die Sarikeln kochten vor Wut, kamen aber nicht näher.
»Wir haben es geschafft, Melice!«, flüsterte Erwan und unterdrückte einen Freudenausbruch.
»Noch ist nichts gewonnen«, murmelte Elea leise. »Deshalb haben die anderen uns also seine Abreise noch nicht gemeldet! Schau, wer die Burg gerade verlässt.«
Fünf Reiter kamen unter dem Fallgatter hindurch. Korta ritt voran. Ophelia drückte Elea abermals die Hand.
Der Herzog scherzte mit seinen Männern und fluchte auf die Wachen. Von diesem Fest hielt er nichts. Er kümmerte sich noch nicht einmal um den Karren und wollte schon daran vorbeireiten, ohne ihm Beachtung zu schenken, als eine plötzliche Windböe Ophelias Kapuze hochwehte. Die langen, lockigen Haare wirbelten in alle Richtungen. Korta drehte sich um, angezogen von dieser Jugend und diesem perfekten Blond. Das junge Mädchen war wie versteinert. Sie starrte ihn ausdruckslos an.
»Gib ihm ein Zeichen – lächele ihn an!«, befahl Elea mit zusammengebissenen Zähnen. »Er kennt dich nicht, du gehst kein Risiko ein. Zieh dir die Kapuze ganz natürlich wieder über.«
Ophelia schenkte Korta plötzlich ein bezauberndes Lächeln. Sie ergriff behutsam ihre Haare und senkte den Blick; ihr kleiner, runder Mund verschwand unter dem Umhang. Diese Naivität gefiel dem Herzog, und als er über den letzten Brückenkopf hinweg war, verkündete er seinen Männern entschlossen: »Ich bleibe jetzt doch bei meinem ursprünglichen Plan: Wir reiten nicht durch Alekant, sondern direkt durch Erinn, damit wir heute Abend noch zurück sind. Hier gibt es Dinge zu sehen, die ich beim besten Willen nicht verpassen möchte.«
Der Spitzenbesatz umwogte den Halsausschnitt ihres granatroten Kleids aus Moiré, die Rubinkette hüpfte an ihrem Hals. Gelöst flatterte ihr langes, kastanienbraunes Haar, und ihre Locken umspielten eine aus Zöpfen aufgesteckte, dicke Krone, die von den Spitzen eines zierlichen Diadems durchbrochen wurde. Eline holte tief Luft und ließ sich die Schleier aus elfenbeinfarbenem Musselin vom Wind ans Gesicht drücken.
Vom Wehrgang der Mantelmauer des Bergfrieds aus sah sie zu, wie der Herzog von Alekant in den Nebel davonritt. Über den Glockenklang hinweg erscholl in Etel ein Horn, als er das östliche Stadttor durchquerte. Sie hielt das für einen schönen Zufall, der ihr die Melodie der Freiheit spielte.
Der Gedanke an das Fest hatte sie bisher nicht aufgeheitert, aber die Abwesenheit des Herzogs und Prinz Andins Gegenwart änderten alles. Der Prinz schien wie ein helles Licht in ihrem freudlosen Dasein! Er belebte noch die geringsten Hoffnungen aus ihren Kindertagen wieder und flößte ihr Lebenslust ein! In Schwarz und Veronesergrün, das üppig mit Silber gefüttert war, gekleidet, trat er eben jetzt auf sie zu. Auf seiner rechten Schulter
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