Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
Karren. Ceban trabte auf seinem Reittier nebenher und führte das des Riesen am Zügel. Virgine, Erwan und Victoria winkten den Dorfbewohnern noch einige Male zu und versuchten, die Kinder zu beruhigen, die hinten auf dem Karren saßen. Tanin brüllte gegen den Wind an und quoll vor Erläuterungen und Einzelheiten, die er seinen drei neuen Spielkameraden mitteilen musste, schier über. Er war glücklich, Erby wiederzusehen. Jetzt konnte er mit ihm sprechen und sich genauso überschwänglich zeigen, wie der kleine Blonde es im Kerker gewesen war. Sie würden nun mehr miteinander teilen als das Geheimnis des Buchs.
Elea gelang es nur unter großen Schwierigkeiten, Tanin zum Schweigen zu bringen. Sie war nicht so froh, wie die geglückte Mission sie hätte machen sollen, und Ceban hatte es bemerkt. Virgine hatte ihr ihre Amalysen zurückgegeben, und die junge Frau hatte sie auf ihrem Körper verteilt, um abschätzen zu können, wie viele in den Burggräben zurückgeblieben waren. Ein Riemen, der sonst über ihr rechtes Knie führte, fehlte, und die Amalyse, die sich gewöhnlich um ihre Hüften schlang, war auch nicht da. Als ihr Bruder sie nach dem Grund für ihre Traurigkeit fragte, schob sie das Verschwinden ihrer Gefährtinnen vor. Aber in ihrem Herzen begannen sich eigentlich alle Kümmernisse zu mischen.
Virgine sah die Rubinhalskette aus ihrem Ärmel hervorhängen. Elea hatte sie sich drei Mal ums Handgelenk geschlungen. Aber es war dann doch die leichte Schwärze der Haut ihres Knöchels, die Virgines Aufmerksamkeit auf sich zog.
Elea hatte keine Zeit, auf ihre Frage zu antworten. Tanin übernahm es dafür, ihre Flucht in allen Einzelheiten zu schildern.
»Da siehst du, dass du gerade eben noch entkommen bist!«, bemerkte Erwan vernünftig, indem er ihn in seiner Begeisterung unterbrach.
Das Kind nickte, hatte aber sicher nichts aus der Geschichte gelernt.
»Warum hast du die Adligen ausgeraubt?«, fragte Virgine, die sich an diesen Teil des Plans nicht erinnern konnte.
»Das wird mir gestatten, einige Abende lang darauf zu verzichten, mit dem Füllhorn Schmuck erscheinen zu lassen«, behauptete Elea unbehaglich.
Erwan glaubte, sie zu verstehen. Er hob das kleine Schleierbündel hoch, das er Tanin abgenommen hatte und das ihn so neugierig gemacht hatte. Der Zufall wollte es, dass ausgerechnet dieser Schleier Andins Anhänger enthielt. Als der Akaler das Bündel ausschüttete und der Wind den Musselin fortriss, hob sich der große Ring in seiner schlichten Form von all den Juwelen ab. Erwan nahm ihn in die Hand. Es verblüffte ihn, richtig vermutet zu haben.
»Gottheiten! Wie hast du ihm das antun können?«, rief er empört.
Elea wusste nicht mehr ein noch aus. Alle Blicke hatten sich ihr zugewandt. Erwan erwartete eine Antwort, alle anderen eine Erklärung. Aber die Frage hatte sie erstarren lassen. Denn der Tonfall des Akalers wirkte so entsetzt, dass sie nichts zu sagen wusste. Sie umklammerte das Schleierbündel auf ihrem Schoß und drückte fest das kleine Buch, das darin verborgen war.
»Andin hat dir nicht gesagt, dass er ein Graf ist – na und? Hast du ihm etwa gesagt, wer du bist?«
»Er ist adlig? Also wirklich, Victoria! Du solltest entzückt sein!«, rief Ceban. »Aber heißt das, dass er bei dem kleinen Fest zugegen war?«
»Er war auf der Burg? Ich habe ihn gar nicht gesehen«, sagte Virgine erstaunt.
»Wer ist Andin?«, quengelte Tanin.
Erwan starrte Elea an, die den Blick abwandte und ihre Amalysen ansah. Beide interessierten sich nicht für die Fragen der anderen. Sie schwiegen einen Augenblick lang. Die Stille wurde nur von den Windstößen durchbrochen, die immer noch tobten.
»Erklärt ihr uns vielleicht, was für ein Problem es gibt, oder habt ihr beschlossen, uns im Unklaren zu lassen?«, meldete sich Sten zu Wort.
»Wer ist Andin?«, beharrte Tanin.
»Der Schüler muss nicht gezwungenermaßen die Gedanken des Lehrmeisters übernehmen«, fuhr Erwan ernst fort. »Du darfst nicht wie Joran reagieren! Ich dachte, du würdest ein bisschen besser nachdenken als er!«
»Mama, wer ist Andin?«
»Sei still, Tanin«, flüsterte Virgine, die die Diskussion zu verstehen begann.
»Vic, ich habe seine Finger über die Sackleier huschen sehen! Ich habe die Töne gehört, die er zu spielen in der Lage war! Er ist ein forken ! Ein … ein außergewöhnlicher Mensch!«, übersetzte er in die Volkssprache. »Er ist jung, voller Feuereifer und Unbeholfenheit, aber ganz gleich, was er tut,
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