Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
von Waldsaum erwiesen sich nicht als böswillig: Alle Dummheiten, die sie äußerten, und alle Theorien, die sie aufstellten, waren nur ihrem Argwohn und ihrer Unwissenheit geschuldet. Die Anwesenheit des Fremden beunruhigte sie. Wer ist er? Woher kommt er? Wie hat er all die Wächter des Königreichs an den Grenzen umgangen? Die Schlussfolgerung war immer dieselbe: In seiner Gegenwart hält man besser den Mund.
»Habt ihr sein Pferd gesehen? Schönes Tier!«, bemerkte ein Bauer, der eben erst im Schankraum des Gasthauses eingetroffen war.
Er schlug seine braune Kapuze auf die Schultern zurück und stieß zu der Gruppe von Dörflern um die zentrale Feuerstelle, die für den neuen Abend angezündet worden war. Er nahm sich im Vorbeigehen einen Becher frischen Met und kippte ihn in einem Zug herunter, bevor er sich auch nur hingesetzt hatte.
»Ja, er wollte gestern noch nicht einmal, dass ich mich darum kümmere«, grollte ein verärgerter Stallknecht. »Ist beim Striegeln nicht leichtführig, sagt er. Hat mir nicht vertraut, oh ja – ihr hättet mal sehen sollen, wie zärtlich die Stute mit ihm umgegangen ist! Ist so manierlich wie nur irgendeines, das Tier!«
»Beruhig dich«, antwortete Askia und schenkte ihm Wein nach. »Für einen Abenteurer muss das Reittier doch genauso wichtig sein wie das Schwert.«
Ein Mann mit mürrischem Blick zuckte nachdenklich die Schultern. »Ich find ja, dass er für einen einfachen Abenteurer ziemlich helle Haare hat. Wird doch kein neuer Spion aus den Ungewöhnlichen Landen sein? Würde mich nicht erstaunen. Schnüffelt hier herum, schaut sich alles an, stellt eine Menge Fragen … Ihr habt doch gesehen, wie’s unter seinen Augen aussieht! Wenn sein Gesicht nicht vor kurzem vom Eisfeuer verbrannt worden ist, müsste ich mich sehr irren!«
»Vielleicht, Othal, aber sicher nicht vom Eis des Nordens«, warf Askia ein und wischte sich flüchtig die Hände an ihrer Leinenschürze ab. »Die Haut seines Körpers ist nicht weiß, ganz im Gegenteil – sie ist sonnenverbrannt. Und da wäre ich gern an der Stelle der Sonne gewesen«, setzte sie hinzu und klimperte mit den Augenlidern.
Alle Männer sahen sie ausdruckslos an.
»Er hat nichts von einem wandelnden Leichnam! Und ich … ich weiß, wo er herkommt«, fuhr sie in verschwörerischem Tonfall fort.
Sie ließ zu, dass das Schweigen sich in die Länge zog, denn sie freute sich über die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde.
»Die Goldstücke, die er mir gegeben hat, waren mit einem Siegel geprägt … dem von Pandema !«
Münder wurden wortlos aufgesperrt, aber Othal brach in Gelächter aus.
»Von Pandema! Und er kommt aus den Versteinerten Bergen und hat die Höllischen Nebel durchquert, was? Deine Phantasie geht mit dir durch, meine süße Askia! Dein Gasthaus ist zwar das beste in der ganzen Gegend, und du bist eine wunderbare Köchin, aber ich bin sicher, dass du nichts von königlichen Siegeln verstehst.«
Askia wandte unter dem allgemeinen Kichern gereizt den Kopf ab. Sie packte ein Tablett und begann trotz der halbherzigen Entschuldigungen der Männer den Tisch abzuräumen.
»Ophelia!«, rief sie. »Ich glaube, dass die Rüpel hier für heute Abend genug getrunken haben! Komm, hilf mir, sie hinauszuwerfen, meine Schöne!«
Aber Andin erschien im Eingang des Schankraums, und sofort herrschte Schweigen.
Die meisten Männer standen auf, nahmen ihre Gläser wieder an sich und zogen sich in kleinen Grüppchen in die verschiedenen Ecken des Raums zurück. Othals Annahmen hatten den Sieg über Askias Vermutungen errungen: Die Bewohner von Waldsaum fürchteten, dass der Fremde aus den Ungewöhnlichen Landen stammen könnte und vielleicht dank seines Zweiten Gesichts schon ihre Gedanken kannte.
Askia dagegen gratulierte sich innerlich ein weiteres Mal dazu, Andin schöne Kleider zum Wechseln ausgesucht zu haben, als sie ihn so rasiert und gekämmt vor sich sah. Seine Sauberkeit war nicht das einzige Detail, durch das er sich von all den Bauern abhob. In seinem weißen Hemd aus Baumwollpopeline, das mit einer langen, roten Damastweste kontrastierte, kam seine natürliche Eleganz zur Geltung.
Der junge Mann fühlte sich schlecht, ganz so, als ob ihm die Wörter Fremder und Feind in die Stirn geritzt wären. Man hatte ihm nur flüchtige Blicke geschenkt, und er war ein paar Mal für einfache Fragen angeknurrt worden. Er hätte nach dem Mittagessen abreisen sollen. Nis und er waren ausgeruht genug.
»Guten Abend, ich heiße
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