Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
Er hatte diesen Gang entdeckt, als er siebzehn Jahre alt gewesen war. Schon damals war er ein ehrgeiziger junger Mann auf der Suche nach Macht und Ruhm. Alle Mittel waren ihm recht gewesen, um sich vor dem Herrscher in ein gutes Licht zu setzen und etwaige Konkurrenten auszuschalten. Nachdem er einen hohen Rang in der königlichen Garde erreicht hatte, waren ihm als Spross einer der bedeutendsten Adelsfamilien des Landes diese Gemächer zuteilgeworden. Durch Zufall hatte er den Hebel betätigt und war in den Gang gelangt. In den Fackelhaltern hatten schon damals die ewigen Flammen den tristen Korridor erhellt, und er hatte sich wie heute in dem großen Saal wiedergefunden. Aus freiem Willen war er hinabgestiegen und hatte den kleinen, steinernen Schrein erspäht.
Die düstere und dunkle Umgebung hatte ihm keine Angst gemacht, im Gegenteil: Er hatte sich mit seiner Entdeckung wohlgefühlt. Die Begehrlichkeit hatte ihn getrieben, den Schrein zu öffnen, ohne auch nur die Warnungen zu lesen, die darin eingraviert waren. Es war nicht einfach gewesen: Der Stein hatte sich als dicht und schwer erwiesen, aber es war Korta gelungen, ihn ein wenig anzuheben. Das hatte gereicht. Der Deckel hatte sich von selbst gehoben und dichten Rauch freigegeben, gefolgt von einem höhnischen Lachen.
Dieses Gelächter, das ihm vor achtzehn Jahren die Adern hatte gefrieren lassen, hörte Korta jetzt aufs Neue. Der Todeshauch rief ihm seine Furcht ins Gedächtnis. Er war sich durchaus bewusst, wie es um die Natur des Geists, dem er gegenüberstand, bestellt war.
Eine laute Stimme von jenseits des Grabes erfüllte den hohen Saal mit seinen Spitzbogengewölben. Es war Ibbak, der sprach: »Also glaubst du nach all dieser Zeit immer noch, mir den Gehorsam verweigern zu können!«
Das widerhallende Lachen war äußerst schaurig.
»Was verheimlichst du mir? Muss ich dich foltern, um es zu erfahren?«
Ibbak hatte nicht mehr die Macht, alles zu wissen, ohne nach irgendetwas zu fragen, aber er konnte immer noch eingehend suchen. Zwei Rauchzungen, die aus dem Schrein hervorwaberten, bewegten sich auf Kortas Ohren zu. Der Herzog wich entsetzt zurück. Er kannte die Schmerzen, die diese Untersuchung verursachte, und ihre möglichen Konsequenzen. Muht schrie angesichts der Bilder fast vor Entsetzen auf. Die Stimme lachte überlegen. Der Hexergeist liebte die Angst der anderen, er labte sich daran.
Fast taumelnd begann Korta mit seiner Erklärung. Er schilderte in allen Einzelheiten sein Scharmützel mit der Maske am Vortag. Er betonte, dass er das Warten und seine Niederlagen nicht länger ertrug, ließ aber dafür aus, dass die Maske weiblich war. Muht lauschte; er konnte Kortas Dreistigkeit nicht fassen.
Der Große Ibbak schenkte seinem Murren nur wenig Beachtung. Schließlich war Korta nur ein Mensch, und der Optimismus seiner Jugend blätterte ab. Er ließ sich von der Lüge einwickeln, denn er glaubte nicht, dass der Herzog die Frechheit besitzen könnte, ihn zu täuschen.
Korta atmete durch. Er verhehlte eine wichtige Tatsache, aber er wollte nicht, dass der Hexergeist erriet, welch erbärmliche Gefühle an ihm nagten. Schon jetzt zweifelte er an sich – er brauchte nicht auch noch seine Spötteleien. Muhts Bemerkungen genügten ihm schon! Der Herzog ertappte sich dabei, alles in Frage zu stellen. Der Vertrag, den er mit Ibbak abgeschlossen hatte, lastete auf ihm, aber er konnte sich des Hochgeists nicht mehr entledigen. Es war ihm unmöglich, den Deckel wieder über den Kasten zu legen: Der rote Rauch gewann langsam seine Kraft zurück und sperrte sich gegen sein Näherkommen.
Der Herzog hatte bis jetzt durchaus von dem Band, das ihn an Ibbak fesselte, profitiert. Aber nun fühlte er sich verloren, da sein Fehler ihm plötzlich schmerzlicher denn je bewusst wurde. Obwohl er es sich noch nicht eingestehen wollte, wankte sein Herz beim Anblick der bezaubernden Augen: Sie brachten ihn um den Verstand!
Vor achtzehn Jahren hatte er mit Freuden Ibbaks Vorschlag angenommen, ihm in der Außenwelt Arm und Hand zu sein, um dafür auf den Königsthron zu gelangen und Herrscher von Leiland und Kaiser der Welt des Ostens zu werden.
Korta hatte alles organisiert, alles eingefädelt. Natürlich war ihm die Zeit lang vorgekommen, aber der Erfolg war ihm immer vollkommen sicher erschienen. Bis auf die letzten beiden Jahre … Bis zum Erscheinen der Maske!
Seitdem war der Kampf hart; eine ganze Anzahl seiner Pläne war endgültig gescheitert. Und
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