Die Rebellin von Leiland 2: Das Gift des Herzogs (German Edition)
Rücken ausgestreckt war, hob sich in dem Versuch, das Ungeheuer ein wenig mehr einzuschüchtern. San raffte allen Mut zusammen, um dieser abscheulichen Bestie die Stirn zu bieten, die beinahe so groß wie ein Bär war! Aber als Joran ein Löwengebrüll ausstieß, gewann die Furcht die Oberhand über Sans Kühnheit: Er floh rasch in dieselbe Richtung wie Andin.
» Deine plötzliche Freundlichkeit ist außerordentlich angenehm«, bemerkte Elea geringschätzig und wollte ihren Weg fortsetzen.
Jorans gesamter Unterkiefer reckte sich ein Stück weiter nach vorn. Wie kann sie nur so dreist sein?
» Joran?«
Die Stimme unterbrach ihn abrupt in seinem Angriff und sorgte sogar dafür, dass Elea sich umdrehte.
» Imma? Was tut Ihr hier?«, rief das Ungeheuer überrascht und vollkommen aus der Fassung gebracht.
» Ich habe doch Eure Stimme gehört«, sagte die Hexe und trat aus dem Unterholz hervor.
Sie wurde von der kleinen Chloe geführt.
» Wer kann schon so schreien, wenn nicht Ihr?«, setzte Imma mit einem Lächeln hinzu.
Sie schien mit den blinden Augen nach Joran zu suchen.
» Ich… Ich schreie nicht«, verteidigte er sich, ohne irgendjemanden damit zu überzeugen. » Ich wollte meiner Schülerin nur eine Strafpredigt halten.«
» Unter Zuhilfenahme einigen Gebrülls«, lachte Imma und hob den leeren Blick zum Himmel.
Jorans Reißzähne schnappten lautlos zu; er schnitt eine entsetzliche Grimasse.
» Gestattet Ihr mir zu erfahren, was Victoria so Fürchterliches angestellt hat?«
Joran wollte nicht gleich antworten. Immas Anwesenheit verstörte ihn. Die Sanftheit und das diplomatische Verhalten der Hexe zerstörten seine Kraft und seine Gewalttätigkeit. Aber er wollte sich nicht nachsagen lassen, vor ihr ohne Autorität zu sein.
» Vic war den ganzen Tag über verschwunden, ohne Bescheid zu sagen, und das trotz aller Risiken, die mit einem Angriff Kortas einhergehen können. Außerdem ist es höchste Zeit, zur Verteilung der Waffen aufzubrechen!«
» Ich bin bei Sonnenuntergang zurückgekehrt«, antwortete die junge Frau. » Korta ist verwundet und seit gestern nicht mehr in Erscheinung getreten, und Tanin hätte dir gesagt, wo ich bin, wenn irgendein Problem aufgetreten wäre.«
» Du vergisst die Machtfülle des Geistes, der auf Seiten deines Gegners steht!«, brüllte Joran. » Es kostet ihn ein Lächeln, jemanden zu heilen! Du glaubst, dank deines Füllhorns die Einzige zu sein, die über solche Kräfte verfügt– ja, du hältst dich für unbesiegbar! Begreifst du denn nicht, dass nur eines nicht in Ibbaks Macht steht, nämlich dich eigenhändig zu töten? Korta ist seine Hand auf diesen Welten und mordet an seiner Stelle– und da glaubst du, dass er ihm eine Ruhepause gönnen wird?«
Elea wusste, dass Joran aus Erfahrung sprach: Er hatte den Hexergeist in der Vergangenheit als seinen Gebieter erlebt. Die junge Frau war so still, dass man das Rascheln des Windes in Immas Röcken hören konnte. Joran wandte sich zu der Hexe um. Sie hatte den leeren Blick zu Boden gerichtet und lauschte mit leicht enttäuschter, ja, entmutigter Miene. Joran biss die Zähne zusammen und verzog abermals das Gesicht.
» Süße Imma, ich weiß, dass ich nicht den Ton an den Tag lege, den Ihr gern hören würdet«, entschuldigte er sich. » Ich kann einfach nicht anders. Aber habe ich denn nicht recht?«
Sie hob den Kopf zu ihm und wandte das Gesicht in Richtung der Geräusche, die zu ihr drangen. Dann senkte sie leicht die Lider über die starren Augen und antwortete mit sanfter Stimme: » Fragt Ihr mich nach meiner Meinung?«
» Ja«, versicherte er, überzeugt, dass sie ihm würde recht geben müssen.
Immas volle Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln.
» Ihr habt nicht ganz unrecht.«
» Ah!«, rief Joran mit stolzgeschwellter Brust aus, drauf und dran, Elea zu beißen.
» Aber…«
» Aber?«, fragte er erstaunt.
» Man darf von anderen nicht verlangen, was man nicht auch von sich selbst verlangt«, sagte Imma weise.
Joran schwieg verständnislos.
» Habt Ihr Euch heute Gedanken um Korta gemacht– oder habt Ihr den Tag in meiner Gesellschaft verbracht?«, setzte Imma errötend hinzu.
Elea hätte nach dem Zusammenstoß mit den Soldaten besorgt sein müssen, aber stattdessen entrang sich ihrem Mund trotz allem ein Lachen. Joran setzte ihrem Spott mit einem Blick ein jähes Ende. Er hatte der jungen Frau beigebracht, alle Schwächen anderer zu nutzen, aber selbst wollte er nicht zu ihren Opfern
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