Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
erfahren hatte, dass die hübsche, rätselhafte junge Frau, die sein Bruder liebte, niemand anders als die Prinzessin war, die ihm von Geburt an bestimmt war. Philip hatte Eleas Schönheit bewundert und bewunderte die Elines immer noch, aber wie war Elisa?
Mit Bauchgrimmen näherte er sich den schmalen Lippen, die unter der Kapuze zu erspähen waren. Sie hatte sechs Jahre lang geschlafen– vielleicht hatte das zahlreiche Konsequenzen gehabt? War sie vierzehn oder zwanzig Jahre alt? Warum stellte er sich jetzt solche Fragen?
Philip streckte langsam die Arme aus, um die Prinzessin um die Taille zu fassen. Die schlanken, weißen Hände glitten ohne jegliches Zögern auf seine breiten Schultern. Er stellte befriedigt fest, dass er einen zierlichen Körper unter den Fingern spürte. Er hob Elisa auf und stellte sie vor sich auf den Boden, ohne den Blick von dem einzig sichtbaren Stück ihres Gesichts abzuwenden. Elisa lächelte leicht und ließ die Kapuze über ihre Locken herabgleiten, die von einem schlichten Goldreif gehalten wurden.
»Danke«, sagte sie mit sicher wohlberechneter Unschuld.
Wusste sie, wie sehr sie das Herz eines Mannes anrühren konnte? Andin kam jedenfalls zu dem Urteil, dass Philip in den Abgrund gestürzt wäre, hätte er jetzt am Rande einer Klippe gestanden: Sein Unterkiefer war bereits herabgesackt. Er fragte sich, ob er auch derart dümmlich dreingesehen hatte, als ihm Elea zum ersten Mal begegnet war. Grübchen bildeten sich in seinen Wangen, als ihm wieder einfiel, dass er in dem Augenblick auch noch von Kopf bis Fuß durchnässt gewesen war.
Natürlich war es Joran, der den Zauberbann brach. Aber Philips Hände mussten auf Elisas Taille auch fürchterlich brennen, denn auf Jorans »Beeilung!« hin zog er sie zurück, als hätte er glühende Kohlen angefasst. Und obwohl er versuchte, wieder ganz gefasst aufzutreten, als er die junge Prinzessin zur Kutsche begleitete, konnte er unter dem prüfenden Blick, der unablässig auf ihm ruhte, nur unbeholfen wirken.
»Ich hoffe, dass du keinen Anlass siehst zu fliehen«, flüsterte die Königin ihm honigsüß zu, als die Prinzessin in der Kutsche Platz nahm.
»Nein, Mutter, im Augenblick noch nicht«, murmelte er finster.
Aber niemand ließ sich von seiner Schauspielerei täuschen, Eline noch weniger als irgendjemand sonst. Doch als sie den Liebeszauber der Feen so am Werke sah, war sie plötzlich sehr mit eigenen Gedanken beschäftigt.
»Ist Euer Bruder Cedric weit entfernt?«, fragte sie Andin mit matter Stimme.
»Nein, macht Euch keine Sorgen«, entgegnete er lächelnd und drückte ihr den Arm.
Im Geiste fügte er diesem Satz unwillkürlich noch etwas hinzu: Sicher ist er nicht so weit weg wie Elea.
Und als alle glaubten, dass er sich damit abgefunden hätte zu bleiben, sprang er auf Nis’ Rücken und sprengte im Galopp davon. Er hatte versucht zu gehorchen, er hatte sich sogar gewünscht, dass es ihm gelingen möge, aber nachdem er die Lage tausendfach im Kopf gewälzt hatte, fand er Eleas Verschwinden und insbesondere ihre Verzweiflung unerträglich. Sein Vater schrie und Joran plusterte vor Zorn sämtliche Federn auf. Vergeblich.
»Er wird ihr folgen. Die Feen haben es so gewollt«, seufzte der Vogel, um seine Enttäuschung zu unterdrücken.
Frederik von Pandema sah ihn an, erstaunt über dieses Geschöpf und seine Worte.
»Wer seid Ihr?«
»Beeilen wir uns, wir müssen das Herzogtum Yil vor Einbruch der Nacht erreichen«, antwortete der Vogel, bevor er davonflog.
Der König war einen Moment lang weiterhin unentschlossen und verblüfft darüber, nicht die geringste Antwort erhalten zu haben. Dieser Gedanke ließ ihn den ganzen Tag lang nicht mehr los.
Es war schon spät, aber Elea wischte sich noch immer die Augen. Es war ihr den ganzen Tag über nicht gelungen, ihre Tränen zu trocknen. Sie war weit galoppiert, schrecklich weit. Nun wanderte sie am Rand der Dunklen Wälder entlang und suchte dort nach genug Schönheit, um ihre Augen ihren Kummer vergessen zu machen. Aber sogar der prächtige Anblick der ersten Frühlingsblumen, die keinen Herbst kannten, hatte nicht die gewohnte Wirkung auf sie. Selbst dieser Ort weckte Erinnerungen an Andin.
Zarkinn schnaubte vor Erschöpfung. Elea machte sich Vorwürfe, bei ihrer wilden Flucht nicht an ihr Pferd gedacht zu haben. Sie führte Zarkinn an einen der winzigen Bäche der Dunklen Wälder und lockerte den Sattelgurt um ein Loch. Dann ließ sie sich wie ein Mehlsack auf einen
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