Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
die Hand ausgestreckt. Eline senkte den Kopf und presste die Lippen zusammen. Der Herzog von Alekant hatte es schon einmal gewagt, die Hand gegen sie zu erheben. Er hatte sie sogar in dieses entsetzliche Verlies gesperrt. Eine zarte Träne rollte über ihre Wange, als sie ihm den Brief reichte. Sie liebte ihren Prinzen bereits und glaubte auch an seine Liebe. Cedric war im Augenblick jenseits des Binnenmeers, aber er hätte sie dem Zugriff des Herzogs entrissen, um sie in die Arme zu schließen. Sie erlag romantischen Vorstellungen von gefangenen Prinzessinnen: Denn Cedric hatte alle Eigenschaften eines rettenden Prinzen.
Korta beugte sich zum schwachen Licht des Korridors und nahm das Papier aufmerksam in Augenschein. Auf einer Seite befand sich ein vor Leidenschaft brennender Brief, auf der anderen die ersten Worte eines mit Blut geschriebenen Hilferufs.
»Wie lange führt Ihr schon diese kleine Korrespondenz?«, fragte er knapp, während er das Papier mehrfach in den Händen hin- und herdrehte.
Die junge Prinzessin antwortete nicht. Es spielte keine Rolle. Korta steckte den Brief in die Tasche.
»Die Maske ist tot«, bemerkte er unvermittelt.
»Zeigt mir ihren Leichnam, wenn Ihr wollt, dass ich Euch glaube«, erwiderte Eline, um sich selbst Mut einzuflößen. »Sie steht unter dem Schutz der Feen.«
»Elea ist unter der Folter gestorben; ich habe die Leiche der Dritten Prinzessin von Leiland den Sarikeln zum Fraß vorgeworfen.«
Einen Augenblick lang fühlte Eline sich gebrochen: Sie wollte es nicht glauben– aber Korta kannte Eleas Namen! Der Herzog wusste, wer die Maske und das Mädchen-mit-den-blauen-Augen waren.
»Das Spielchen ist vorüber. Morgen Abend werdet Ihr meine Frau sein.«
Eline senkte abermals den Kopf. Ihre Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Hier gab es keinen Himmel, keine Hoffnung. Nur unverrückbare Mauern, an denen Hände, die nach Freiheit gierten, sich blutig gekratzt hatten; Mauern, deren Steine die Erschöpfungstränen und den Todeshauch ihrer Gefangenen ausschwitzten. Ein unaussprechliches Grauen, von dessen Existenz die Prinzessin bis dahin nichts geahnt hatte und dessen Erbarmungslosigkeit ihr meuchlings ins Fleisch und bis in die Knochen drang.
Würde Eleas Trank seine Wirkung bis zum folgenden Abend entfalten?
Eline befolgte sämtliche Anweisungen ihrer Schwester bis aufs Wort, aber Elisa erwachte nicht. Hatte sie etwas falsch verstanden? Verrannte sie sich in Sätze, die in Wirklichkeit gar keinen tieferen Sinn hatten?
»Natürlich lasse ich Euch kein Heilmittel für Prinzessin Elisa hier«, setzte Korta bösartig hinzu. »Ihr Leid und ihre Todesqual werden Euch nur umso schneller überzeugen. Ich will, dass Ihr Eurem Vater mitteilt, dass Ihr nichts anderes wollt, als Euch mit mir zu verbinden. Übrigens glaubt der König, dass Ihr im Augenblick unpässlich seid. Es ist mir gelungen, ihn davon abzubringen, Euch zu besuchen, aber er hat vier Ärzte zu Euch geschickt. Macht Euch keine Gedanken, ich hatte keine Schwierigkeiten, sie unter meinen Befehl zu bringen. Sollte man etwa gar annehmen, dass der König sich um seine einzige Erbin sorgt?«
Er begann hämisch zu grinsen und dann schaurig zu lachen. Eline hielt ihre Tränen zurück. Sie fühlte sich so hilflos!
Korta hatte nichts mehr hinzuzufügen. Er verstopfte das Fenster mithilfe seines Umhangs und näherte sich ruhig und behutsam dem gurrenden Geckenstolz. Der Vogel rührte sich nicht, bis Korta die Hände nach ihm ausstreckte, um ihn einzufangen. In dem Moment wich der Geckenstolz geschickt aus, um weiter weg zu fliegen.
»Hört, ich lege keinen Wert darauf, dass ein Prinz mit allem Pomp auf diese Burg einzieht. Los, Hoheit, fangt mir diesen Unglücksvogel!«
»Fangt ihn doch selbst!«
Korta wusste, dass er dazu niemals geduldig genug sein würde. Aber er versuchte es. Nach fünf Minuten dieses Affentheaters musste er sich darauf verlegen, dem Tier Komplimente zu machen. Der Geckenstolz plusterte sich vor Selbstgefälligkeit auf. Doch obwohl er Schmeicheleien liebte, gehorchte er dem Schmeichler nicht. Er flatterte wieder zur anderen Seite des Raums und landete auf einem fauligen Balken. Korta kochte mittlerweile vor Wut. Seine Worte blieben sanft, aber seine Augen verdüsterten sich.
Eline hatte sich schlau dem Fenster genähert und riss nun mit einer raschen Bewegung den Umhang daraus hervor.
»Flieg davon!«, schrie sie dem Geckenstolz zu. »Flieg sofort zu Prinz Cedric!«
Der Geckenstolz zögerte
Weitere Kostenlose Bücher