Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Gürtel befestigt und drehte sich nun im Aufstehen triumphierend zu seinen beiden Gefährten um, die entzückt über seine Zielsicherheit waren. Obwohl Soldaten in der Stadt unterwegs waren, vergaßen manche Kinder, dass es nicht der rechte Zeitpunkt zum Spielen war.
»He! Pst!«
Die drei Rangen fuhren mit schuldbewusster Miene herum.
»Schießt du immer so gut, Junge?«, fragte einer der vier Männer, die sich hinter einer Mauer versteckten.
»Ich bin besser als sonst irgendeiner in der Stadt«, gab das Kind zurück und stopfte sein Opfer in einen Leinenbeutel. »Ich schieße dir eine Schwalbe aus dreißig Schritt Entfernung ab! Was kümmert’s dich, Alterchen?«, fuhr er von oben herab fort.
»Alles hängt von dir ab. Wenn du genauso mutig wie großmäulig bist, dann kannst du dir sechs Kupferstücke verdienen!«
»Ich habe meinen Preis noch nicht genannt«, antwortete der kleine Junge. »Du hast schließlich noch nicht gesagt, was ich anstellen soll.«
Neun Jahre alt und schon so ein Schlitzohr!
»Oh nein, Onemie! Bring sie nicht in Gefahr!«, flehte Eline mit gesenkter Stimme.
»Habt keine Angst, Hoheit«, antwortete die Schankmagd ebenso leise. »Der Tag ist noch nicht gekommen, an dem Korta solche Kerlchen wie diese fängt. Sie sind schneller als streunende Katzen und wissen sich besser zu helfen als jeder Affe! Lasst meine Freunde mit ihnen sprechen und sie weichklopfen. Ich habe Euch etwas versprochen.«
»Mir wäre es lieber, wenn es keine Toten mehr gäbe.«
»Ich verstehe Euch, Hoheit, aber Ihr müsst Eurerseits verstehen, dass ich lieber sterben als versagen würde.«
Eline biss sich auf die Lippen. Sie wollte protestieren, aber ganz gleich, welches Argument sie vorbrachte, Onemie würde ihr ja doch nur wieder dasselbe erzählen– über die Verurteilung aufgrund der Verbotsgesetze, die Treue der Untertanen zum Königshaus und die Schuld, die sie dem König gegenüber auf sich geladen hätte. Obwohl Eline noch nie persönlich mit einem Maultier zu tun gehabt hatte, kam ihr die Schankmagd noch sturer als eines dieser Huftiere vor.
»Willst du wirklich nicht mit uns kommen?«
»Nein, Hoheit. Ich bin Etelerin. Trotz all des Unrats und der Armut könnte ich außerhalb dieser Stadt nicht leben. Und außerdem muss ich herumerzählen, wie der König gestorben ist. Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand seinen Ruf und seinen Mut in den Schmutz zieht. Das Volk muss von allem erfahren, was sich abgespielt hat.«
Eline standen Tränen in den Augen. Sie kam sich plötzlich so verletzlich vor. Würde sie die Kraft aufbringen, bis zum Äußersten zu gehen? Sie sank Onemie einen Augenblick lang in die Arme.
»Ich habe Angst. Passt auf euch auf.«
Onemie war gerührt und drückte ihre Prinzessin einen Moment lang an sich.
»Kommt, Hoheit, fasst Euch. Ich weiß, dass es Euch gelingen wird. Ihr werdet doch nicht zulassen, dass Eure Schwester nach all diesen Fährnissen Korta in die Hände fällt!«
Eline schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen, bevor sie vor Tränen überquellen konnten.
»Ihr werdet also Mut für zwei haben müssen«, fuhr Onemie fort und packte sie bei den Schultern. »Eure Schwester ist noch sehr schwach und wirkt ganz verloren. Ihr müsst Eure Furcht vergessen und ihre unterdrücken. Um dorthin zu gehen, wohin Ihr geht, dürft Ihr keine Angst im Herzen tragen.«
Eline nickte. Sie sah sich nach ihrer Schwester um, die sich ein Stück hinter ihr versteckt hatte. Elisas Augenlider wirkten schwer, aber die junge Prinzessin weigerte sich einzuschlafen. Sie ließ sich von Haus zu Haus mitschleppen, kraftlos, aber mutig. Im Lagerraum hatte sie sich ausgeruht, doch das reichte in ihrem Zustand nicht aus. Die Gespräche zwischen Eline und Onemie hatten sie vollends verwirrt, und das Glockengeläut ließ sie abstumpfen.
Die beiden Prinzessinnen hatten das Palastgelände noch nie verlassen. Ihr Vater hatte wie so viele Herrscher ihre Unschuld vor den Aufregungen des Lebens behüten wollen, indem er sie bis zu ihrer Heirat abgeschirmt auf der königlichen Burg hielt. Binnen weniger Stunden waren Samt und Seide Lumpen aus Leinen und Hanf gewichen, das Gold und Silber Eisen und Blei, der Marmor gestampfter Erde. Die beiden Prinzessinnen hatten mehrfach versucht, sich das Leben außerhalb der Burg auszumalen, aber sie hatten sich das Elend nie vorstellen können.
Während Eline den Tränen nahe war, bemerkte Elisa es kaum noch. Sie hatte vergessen, dass sie eine Prinzessin war, auch,
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