Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
gerührt. Dann versuchte sie, Onemie zu trösten, aber die wollte nichts davon wissen.
»Ach, ich muss ihm so weh getan haben! Euer Hoheit, Ihr könnt sagen, was Ihr wollt, mein Name hat zum Tod des Königs beigetragen. Bei der Liebe, die ich meinem Herrscher entgegenbrachte und nun für Euch empfinde, schwöre ich Euch, dass ich Euch heute Abend aus Etel herausbringen werde.«
Das Wetter wurde schwül, und der Nachmittag neigte sich dem Ende zu. Die Erde schien die Wärme des Tages abzustrahlen: Die Luft war feucht und drückend.
Joran suchte, noch immer in Schwalbengestalt, die umliegenden Gassen mit Blicken ab. Er saß hoch oben auf einem Dach in der Nähe des Südtors versteckt hinter einem wackeligen Schornstein. Nicht weit von ihm beobachteten Korta und Muht von den Stadtmauern herab Etel, genau wie er. Die Prinzessinnen mussten durch dieses Tor, um die Stadt zu verlassen. Die beiden anderen Stadttore waren geschlossen.
»Spürst du sie noch immer nicht?«, fragte Korta.
»Ich hatte nie Gelegenheit, ihren Geist zu studieren. Dazu benötige ich mehrere Visionen. Aber du hattest zu viel Angst, dass ich mich ihnen nähern könnte. Glaubst du, dass ich dich verraten hätte, wenn ich schon früher erfahren hätte, dass du Elines Gesicht kennst?«
Korta versteifte sich, ohne zu antworten. Er schirmte seinen Geist wie immer ab.
»Wenn ich je deinen Platz hätte einnehmen wollen, hätte ich dir gestern Abend nicht geholfen«, fuhr Muht fort. »Jetzt kann ich dir sagen, dass ich immer noch den Geist des Ungeheuers aus dem Verbotenen Wald spüre. Es ist nicht weit entfernt; es ist besorgt und weiß sicher auch nicht, wo die beiden stecken.«
Korta lächelte schief: Mehrere Häuser von Etel standen in Flammen, die Soldaten suchten unermüdlich. Der Schraubstock zog sich immer enger um die beiden Flüchtlinge zusammen. Der Vogel der Maske würde keine Zeit haben einzugreifen.
Joran wandte den Kopf in alle Richtungen. Er musste die Prinzessinnen als Erster finden! Doch er wusste nicht, was er tun sollte, wenn sie nun in sein Blickfeld gerieten: Er würde sie niemals auf dem Rücken forttragen können. Bis er sie dazu hätte überreden können, wäre er schon von tausend Speeren durchbohrt gewesen! Von Zeit zu Zeit hörte er, wie Elea mithilfe des Füllhorns nach ihm rief. Sie war im Verbotenen Wald geblieben, damit sie sich leichter verständigen konnten: Er konnte ihr antworten, indem er die Erde in seinem Revier erzittern ließ. An ihren zahlreichen Rufen konnte er unschwer erkennen, wie bang sie wartete. Die junge Frau und ihre Freunde konnten sich nicht gefahrlos nach Etel begeben. Aber was, wenn Korta Eline und Elisa in seine Gewalt brachte, bevor er sie fand? Joran würde nichts tun können, als Abschreckungsversuche zu unternehmen.
Wo waren sie? Wie hatten sie verschwinden können?
Einige Leute verließen die Stadt vor Einbruch der Nacht. Sie wurden von den Wachsoldaten mehr oder minder entkleidet: Was sie bei sich hatten, wurde genauestens durchsucht. Niemand konnte den Kontrollen entgehen.
Was war es, das Jorans Blick durch die Fensterscheiben des Hauses fallen ließ? Er hätte es nicht zu sagen vermocht, aber er hatte den Eindruck, die Prinzessinnen zu erspähen. Sie trugen zerlumpte Kopftücher, geflickte Schürzen und gebrauchte Umhänge über den Kleidern und waren in Begleitung vierer Männer und einer Frau in Schwarz.
Er sah sie ins Freie kommen und leise immer an den Wänden entlang aufs Südtor zugehen. Joran fürchtete, dass er dafür sorgen würde, dass sie bemerkt wurden, wenn er sich zu nahe an sie heranwagte. Er musste versuchen, mit ihnen zu sprechen! Gerade wollte er sich in eine Katze verwandeln, um einen besseren Blick auf das, was sich abspielte, zu erhaschen, als ein Stein ihn schmerzhaft am Kopf traf. Joran brach zusammen, glitt über die Dachpfannen und stürzte zu Boden.
»Ich spüre das Ungeheuer nicht mehr«, bemerkte Muht.
»Wie das?«, antwortete Korta.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es fort. In dem Fall muss es weit weg sein, denn ich habe nicht gespürt, wie es sich entfernt hat.«
»Glaubst du, dass es sie gefunden hat?«
»Ich weiß es nicht. Es ist, als sei das Ungeheuer tot.«
Die beiden Männer ließen den Blick über die Dächer und Straßen schweifen, die von ihrem Standort aus zu sehen waren, konnten aber nichts Neues erkennen.
Kleine Hände hoben die blutende Schwalbe auf; ein Junge gluckste vor Freude. Er hatte die Schleuder schon wieder an seinem
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