Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Staub. Eline bog in die erste Gasse zur Linken ein; sie führte nach Süden und war gewunden. Die vorkragenden Obergeschosse schienen auf die jungen Frauen stürzen zu wollen. Die Passanten machten ihnen kaum Platz. Da sie unter den Stoffballen, die sie schleppten, tief gebückt gingen, sahen sie jeweils erst im letzten Moment die beiden Fliehenden auf sich zurennen.
Joran sauste so schnell er konnte über die Dachpfannen, um eine Möglichkeit zu finden, in die Gasse zu schlüpfen. Die Dächer lehnten hier aneinander. Durch die schmale Ritze, durch die er noch in die Gasse blicken konnte, sah er, dass Kortas Männer den Prinzessinnen immer näher kamen. Er ließ die Söldner nicht aus den Augen. Er war nahe daran, als Maus zwischen den beiden verbeulten Regenrinnen hindurchzuschlüpfen und als Schnee-Tscharas mitten im Gedränge zu landen!
Als Eline gerade Elisa auffing, bevor diese endgültig zusammenbrechen konnte, spürte sie eine Hand, die sie am Arm packte.
»Hier entlang, Hoheit«, flüsterte ihr eine junge Frau zu, deren strohblondes Haar von einem schwarzen Stirnband gehalten wurde.
Eline hatte Angst. Sie wollte vor der Etelerin davonlaufen, die ihre Identität kannte, aber der bittende Blick der Unbekannten und das lärmende Anrücken von Kortas Soldaten zwangen sie, Vertrauen zu haben. Sie hatte keine Wahl mehr. Die junge, schwarz gekleidete Frau fasste auch Elisa unter der Schulter. Sie zog beide Prinzessinnen in eine andere Gasse mit, und dann hinein ins erste Gebäude dort: ein verlassenes Lagerhaus. Die Fremde schloss die Tür und sicherte sie rasch mit einem großen Holzriegel.
Durch das schmutzige Fenster sahen sie, wie ihre Verfolger weiter die Straße entlangliefen. Eine Schwalbe flog hierhin und dorthin; all dieser Aufruhr schien sie zu erschrecken. Eline fand endlich Gelegenheit, Atem zu schöpfen. Elisa war auf einer Kiste zusammengesunken und weinte vor Schmerzen, denn sie konnte die Beine nicht mehr bewegen.
»Für den Augenblick seid Ihr hier außer Gefahr, Hoheit«, sagte die junge Frau und trat an die schluchzende Prinzessin heran. »Ihr könnt Euch ausruhen und warten, bis sie die Häuser zu durchsuchen beginnen.«
Eline setzte sich neben ihre Schwester, um sie in die Arme zu nehmen. Sie sah die Fremde an, ohne recht zu wissen, was sie von ihr halten sollte. Die Frau hatte kein hässliches Gesicht, nur eine ihre Wange entstellende Narbe, die selbst im schwachen Licht des Lagerraums zu erkennen war.
»Danke für deine Hilfe«, stammelte Eline, »aber… woher weißt du, wer wir sind?«
»Ein Mann in dem Wirtshaus, in dem ich arbeite, hat die Königin in Eurer Schwester wiedererkannt, als Ihr zu Pferde vorübergekommen seid. Er ist zwar ein alter Säufer, aber gestern hatte er schon den König erkannt, und als wir uns später die Geldstücke angesehen haben, die der König dagelassen hatte, haben wir bemerkt, dass er Recht hatte.«
Die junge Frau ließ Eline nicht die Zeit, zu staunen oder unter diesen Enthüllungen zusammenzubrechen.
»Ich bin Euch gleich nachgelaufen, denn ich kenne alle Schleichwege und Verstecke in der Stadt. Ich wollte Euch aufhalten, bevor Ihr in die Falle tappen konntet.«
»Welche Falle?«, fragte Eline beunruhigt.
»Durch das Trompetensignal hat Korta die Wachen an den Stadttoren sofort alarmiert. Am Ende Eurer Flucht wäret Ihr ihnen in die Hände gefallen.«
»Ich danke dir doppelt.«
Eline dachte an den Brief ihres Vaters zurück. Sie hielt Etel für eine große Stadt und hätte nie damit gerechnet, denselben Leuten zu begegnen wie der König. Die junge Frau konnte ihr vielleicht erklären, was im Wirtshaus geschehen war. Die Schankmagd las ihr die Frage von den Augen ab.
»Wir wussten nicht, dass es der König war«, gestand sie. »Nun ja, zumindest der Wirt und ich nicht. Wir wussten nicht, dass wir ihm so weh taten. Ich habe die ganze Nacht an dieses Gespräch zurückgedacht, und als ich dann gegen Mittag die Glocken hörte, habe ich mich so schuldig gefühlt.«
Sie hatte sich ebenfalls auf eine der leeren Kisten in dem düsteren Raum gesetzt und wirkte niedergeschlagen. Matt hob sie die Hände vors Gesicht.
»Es ist unsere Schuld, dass er sich das Leben genommen hat. Er hat um meine Ehre gekämpft, er hat mir das Leben gerettet, und ich habe ihn mit grausamen Wahrheiten umgebracht. Das Herz quoll mir vor Zorn auf die Soldaten über. Und das Schlimmste daran ist, dass ich auch noch Onemie heiße!«
Eline war einen Moment lang wie vom Donner
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