Die Rebellin
abzuwerfen.
»Aber wie soll dann der künftige Staat aussehen?«, erkundigte sich Jakinthos. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Leute wie Kolokotronis, Kapodistrias, Mavrokordatos, die Brüder Ypsilanti und Jannis Kolettis auf eine gemeinsame Politik einigen könnten.«
Pappas Mavros verschwieg, dass auch er dies für den wunden Punkt der Hetärie hielt.
»Wir haben ein gemeinsames Ziel. Über die Einzelheiten kann dann später diskutiert werden. Im Augenblick ist es erst einmal wichtig, die Finanzierung zu regeln. Für uns auf den Inseln geht es zunächst um Schiffe. Wir müssen eine schlagkräftige Flotte aufstellen.«
Jakinthos fragte nach Hilfe aus dem Ausland.
»Darauf bauen wir. Die Russen haben wir sowieso auf unserer Seite, auch wenn wir genau wissen, dass es ihnen mehr darum geht, den Bosporus und das Mittelmeer zu erobern. Aber sie sind ernsthaft daran interessiert, Konstantinopel und die Hagia Sophia den orthodoxen Christen zurückzugeben. Allerdings gibt es da noch eine Unwägbarkeit: Metternichs Einfluss auf den Zaren. Mit Österreichs Hilfe können wir zurzeit nämlich weniger rechnen, da Metternich uns nicht freundlich gesinnt ist. Aber die Franzosen, die trotz Waterloo immer noch die besten Soldaten unserer Zeit stellen, haben sich positiv über unsere Absichten geäußert. Auch in England scheint man sich Gedanken darüber zu machen, wie man den Türken das Handwerk legen könnte. Die Welt ist die osmanische Herrschaft satt.«
Jakinthos stand auf, wühlte in seinem Schreibtisch herum und zog schließlich einen Bogen Papier hervor. »Das hat mir gestern ein Freund geschickt«, sagte er. »Es ist der Teil eines Gedichts von dem Engländer Byron.«
Pappas Mavros hob die Schultern. »Englisch verstehe ich nicht«, sagte er.
»Ich habe es übersetzt«, erwiderte Jakinthos und las vor:
»So tönt es von den Küsten her,
's ist Hellas, doch es lebt nicht mehr! …
Allmächt'ger Götter hoher Schrein,
soll das von dir geblieben sein?«
Er sah den Popen erwartungsvoll an. Lange Zeit sagte Pappas Mavros nichts. Er stand auf, lief im Zimmer hin und her, hob eine Augenbraue und meinte schließlich: »Sei es drum. Mir wäre es lieber, wenn uns Europa auf der Grundlage der modernen Ideale Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit helfen würde. Aber diese romantischen Menschen aus dem Norden wollen unbedingt das alte Griechenland wieder auferstehen lassen. Wir müssen also an den humanistischen Zeitgeist appellieren und den Europäern einhämmern, dass sie unserer Kultur verpflichtet sind.«
»Und dann kommen sie mit ihren Waffen nach Griechenland, fragen einen Bauern nach Diogenes, und der antwortet, dass der Schuster nebenan wohnt?«
Der Pope lachte. »Das müssen wir riskieren.«
»Oder unsere eigenen Landsleute besser ausbilden.«
»Wir Priester tun, was wir können. Aber dann kommen so feine Leute wie die Mavrojenous-Leute nach Griechenland zurück und halten sich für zu vornehm, um mit den Bürgern des Landes zu sprechen. Ganz davon abgesehen, dass im Haus meiner Cousine mehr italienisch und französisch als griechisch gesprochen wird. Wie soll man sich da überzeugend als Urenkel der alten Hellenen ausgeben?«
Beschämt senkte Jakinthos den Kopf, gestand, dass er sich mit Mando gleichfalls französisch unterhalten habe, und versprach dies bei künftigen Besuchen zu unterlassen.
»Was mich gleich zum nächsten Punkt bringt«, meinte Pappas Mavros aufgeräumt. Er hatte Jakinthos für die Hetärie rekrutiert, jetzt konnten Nebensächlichkeiten geregelt werden. »Wie Sie wissen, bin ich Magdalinis Vormund. Wünschen Sie bei mir um die Hand meiner Nichte anzuhalten?«
Vor Jakinthos' Augen schob sich das Bild eines an einen Mast gebundenen Mädchens mit dunklen, im Wind flatternden Haaren, wilden Augen und heiseren Schreien.
»Haben Sie mit ihr darüber gesprochen?«, fragte er vorsichtig.
»Das Mädchen tut, was ihr aufgetragen wird«, versicherte Pappas Mavros.
Jakinthos dachte daran, wie sie als Kinder das Khaiki gestohlen hatten und wie wenig sich die erwachsene Mando um die Worte der Mutter geschert hatte. Jetzt erst fiel ihm ein, dass sie ganz allein mit ihm zum Hafen gegangen war, anstatt – wie sich das gehörte – noch eine weibliche Begleitperson oder ein männliches Familienmitglied hinzuzurufen. Nein, Mando würde ganz sicher genau das nicht tun, was man ihr auftrug.
»Man darf nichts überstürzen«, sagte er daher jetzt. »Ich möchte sie dazu bringen, dass sie es
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