Die Rebellin
Ankunft auf Tinos vor sechs Monaten hatte Jakinthos Tinos fünfmal besucht. Ausgesprochen worden war noch nichts, aber es schien für alle ausgemachte Sache, dass er in absehbarer Zeit um Mandos Hand anhalten würde. Natürlich hatte Mando darüber nachgedacht und sie war zu dem Schluss gelangt, dass es zwar sicherlich ein schlimmeres Los gäbe, als Jakinthos' Frau zu werden, sie aber nicht die geringste Lust verspürte, jetzt schon die Weichen für ihr Leben zu stellen.
Sie vertraute Pappas Mavros und versuchte ihm das verständlich zu machen.
»Wenn ich Jakinthos heirate, ziehe ich nach Mykonos und führe für den Rest meines Lebens seinen Haushalt. Ich lerne so viel von Ihnen, Pappas Mavros, und ich will noch sehr viel mehr lernen. Aber wie kann ich meine Kenntnisse über Mathematik, Astronomie, griechische Geschichte, Lyrik, Philosophie und Sprachen beim Wäscheweißen in Alefkandra einsetzen? Oder beim Verhandeln über den Fischpreis? Und erzählen Sie mir jetzt bloß nicht, dass ich damit meinem Mann bei seinen Geschäften im Hintergrund helfen könnte. Wirtschaft und Finanzen stehen nicht auf meinem Curriculum.«
»Richtig«, sagte der Pope nachdenklich, »das ist ein Manko.«
Er betrachtete Mando, als sähe er sie zum ersten Mal, und auf einmal begriff er, was Nikolaos Mavrojenous gemeint hatte, als er behauptete, in Mandos Herz schlage das Herz eines Palikaris, eines Kriegers. Er erinnerte sich, dass er während der Unterrichtsstunden manchmal vergessen hatte, dass sie ein Mädchen war. Die junge Frau, die vor ihm saß und verzweifelt nach einem Sinn in ihrem Leben suchte, durfte ihre Gaben tatsächlich nicht in der Eintönigkeit einer Ehe vergeuden. Sie war zu Höherem berufen und er war ausersehen sie dahin zu begleiten. Es war zwar unvorstellbar, dass eine Frau der Hetärie der Freunde beitreten könnte, aber er würde dafür sorgen, dass sie auf irgendeine Weise der gemeinsamen Sache nützlich werden würde.
Katharina die Große war auch eine Frau gewesen und hatte Großes geleistet. Bisher hatte er als Mandos Beitrag an der geplanten Erhebung gegen die Türken ausschließlich ihren Briefwechsel mit den Damen der nordeuropäischen Salons gesehen. Langsam hatte er sie in eine Botenrolle einarbeiten wollen, aber warum sollte die junge Frau nicht eine aktivere Rolle im eigenen Land spielen? Sie konnte sich gut ausdrücken, Gott sei gelobt inzwischen auch auf Griechisch, hatte Überzeugungskraft, Mut und – was am allerwichtigsten war – einen Freiheitsdrang, der, in die richtigen Bahnen gelenkt, der Hetärie auf den Inseln Schwung geben könnte. Vielleicht war jetzt der Moment gekommen, sie einzuspannen, und welch bessere Kulisse gab es dafür als die von den Türken geschliffene Festung auf Tinos?
»Hast du jemals von der Hetärie der Freunde gehört?«, fragte er vorsichtig.
»Nein. Was ist das, eine Loge, ein Geheimbund, wo Männer bei viel Wein über das Los der Welt bestimmen?«, fragte sie abfällig. Er war leicht irritiert.
»Eine Organisation«, murmelte er. »Wir werden darüber in einer der nächsten Stunden sprechen.«
Nein, sie war noch nicht so weit.
Nach der Beerdigung von Nikolaos Mavrojenous hatte sein ältester Sohn beschlossen Marcus Mavrojenous die Verwaltung der ererbten Güter auf der Insel Mykonos zu übertragen. Dazu gehörte auch der respektable Familienbesitz nahe dem Hafen in der Stadt selbst, jenes Haus, das Mando eines Tages in die Ehe einbringen würde. Es war für einige Monate an einen deutschen Baron vermietet worden, dem aus gesundheitlichen Gründen ein Aufenthalt im Süden angeraten worden war. Die Kunde von den schönen und willigen Frauen der Insel Mykonos war bis nach Deutschland gedrungen und der Baron, der in seiner Ehe gewisse Defizite zu beklagen hatte, war ohne Umwege auf die Kykladeninsel gereist. Zunächst schien es ihm, als wäre er wahrhaftig im Paradies gelandet, denn als er von einem kleinen Fischerboot am Hafen abgesetzt wurde, sah er, von ein paar alten Männern abgesehen, nur Frauen. Eine schien schöner als die andere, und selbst ihre in seinen Augen äußerst hässliche Bekleidung, tat der Lieblichkeit keinen Abbruch. Doch als er eine der Schönen ansprach, wandte sie ihm auf der Stelle den Rücken zu und schritt hoch erhobenen Hauptes davon. Gleiches widerfuhr ihm beim nächsten Versuch. Er kam sich vor wie Tantalos, der die süßen Früchte nicht pflücken konnte. Er gab aber nicht auf und probierte sein Glück zum dritten Mal.
Kaum
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