Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
schlug mit der flachen Hand gegen das Steuerhaus. Zakarati sah ihn entsetzt an, aber er beschwichtigte sie schnell: »Keine Angst, von uns wollen sie nichts, aber ich weiß, wo sie herkommen und was sie geladen haben.« Er nickte hinüber zu der kleinen Insel rechts von ihnen. »Es ist ein Skandal, dass Delos ausgeplündert wird! Marmorquader und Säulen, die vor Jahrtausenden von Steinmetzen behauen wurden, werden einfach abgetragen und zum Bau von Häusern verwendet …«
    »… und von Kirchen«, unterbrach ihn Mando spitz. »Haben die Byzantiner denn nicht die meisten ihrer Kirchen über vorchristlichen Tempeln errichtet? Und sich dafür der bereits vorhandenen Säulen und des Marmors bedient?«
    »Das ist etwas anderes«, erwiderte Pappas Mavros. »Damit wurde demonstriert, dass die neue Religion die alte besiegt hat. Außerdem wurde nichts von anderen Orten weggeschleppt. Daran krankt unser Land vor allem: Es gibt keinen Respekt vor der Kunst vergangener Zeiten.«
    Dazu fiel Mando etwas ein. Sie wandte sich an ihre Mutter. »Welcher von Vaters Geschäftsfreunden sitzt im Gefängnis, nachdem er sich mit einem Räuberhauptmann verbündet hat?«
    »Was sagst du da?«
    »Deine Mutter kann dir nicht weiterhelfen«, mischte sich der Pope ein. »Dieses Rätsel musst du schon selber lösen.«
    In den nächsten Monaten dachte Mando kaum noch an den Inhalt des grünen Kastens. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, ihr neues Zuhause zu erkunden und sich an Pappas Mavros Lehrmethoden zu gewöhnen. Auf Paros war sie von Privatlehrern unterrichtet worden. Manche hatten eine Zeit lang bei ihnen im Haus gelebt, wie der Tanz- und der Fechtmeister oder die alte Dame, die ihr Klavier- und Gesangsstunde gegeben hatte. Der Türkischlehrer war aus Parikia, ebenso wie der Priester, der ihr bis zu ihrem fünfzehnten Lebensjahr Mathematik- und Astronomieunterricht erteilt hatte. Pappas Mavros war außer sich, als er erfuhr, dass sie in den vergangenen sechs Jahren weder in diesen beiden Fächern noch in Geografie und Geschichte unterrichtet worden war.
    »Warum soll das Mädchen eine Gelehrte werden?«, fragte Zakarati, als er sich bei ihr beschwerte. »Welcher Mann will schon eine übermäßig gebildete Frau? Mando hat alles gelernt, was ihr in der Ehe von Nutzen sein kann, und es wird höchste Zeit, dass sie heiratet.«
    »Einen Griechen?«, fragte der Pope.
    »Natürlich«, erwiderte Zakarati arglos.
    »Dem könnte sie nie einen Brief schicken, wenn er auf Reisen geht. Ist dir eigentlich klar, dass deine Tochter die griechische Schrift nicht ausreichend beherrscht? Und sich äußerst beklagenswert in unserer Muttersprache ausdrückt? Wie sollte es auch anders sein – hat sie die Sprache doch nur von Vassiliki und den Bauern und Fischern von Paros gehört!«
    Zakarati richtete sich auf und warf ihrem Cousin einen eiskalten Blick zu.
    »Selbstverständlich wird meine Tochter einen gebildeten Mann heiraten – mit dem sie sich auf Italienisch oder Französisch verständigt. Und wenn es vornehmes Griechisch sein muss, kann sie in der Sprache Homers parlieren. So gehört sich das in unseren Kreisen, mein lieber Niko.«
    Sie war allerdings sehr überrascht, als Jakinthos Blakaris bei seinem ersten Besuch im Hause von Irini und Antonis darauf bestand, griechisch zu sprechen. Zakarati konnte nicht wissen, dass Pappas Mavros dahinter steckte. Er hatte den jungen Mann aus Hydra in Mykonos aufgesucht und sich ausführlich mit ihm unterhalten. Weniger, um mögliche Heiratsabsichten auszuloten, sondern vielmehr, um den nicht gerade mittellosen Reederssohn für die Revolution zu gewinnen.
    Vorsichtig hatte der Pope dem jungen Mann auseinander gesetzt, was es mit der so genannten ›Hetärie der Freunde‹ auf sich hatte. Er verwies auf die erfolgreichen Revolutionen in Amerika und Frankreich und deutete an, dass die Zeit für einen Umsturz in Griechenland reif sei.
    »Der Geheimbund ist nach der nominellen Unabhängigkeit der Ionischen Inseln vor vier Jahren in Odessa gegründet worden«, führte er aus, »und er zählt inzwischen mehr als 200.000 Mitglieder.«
    Jakinthos wollte wissen, wer darin Führungspositionen innehatte und staunte über die Koalition so vieler unterschiedlicher Interessen. Reeder, Handelsherren, Phanarioten, Intellektuelle, Liberale, Erzkonservative, radikale Republikaner, Feudalherren und sogar die Räuberbanden aus den Bergen, die Klephten, zogen an einem Strang, alle beseelt von dem Gedanken das türkische Joch

Weitere Kostenlose Bücher