Die Rebellin
können glaubte. Er fürchtete, sie werde ihm noch mehr entgleiten, wenn sie weiter so viel Macht über Menschen haben würde. Zwar sah er kaum eine Chance, Mando zum Weggehen zu bewegen, aber er versuchte, an ihren Überlebenswillen zu appellieren, und malte ihr in den grellsten Farben aus, was mit schönen jungen Frauen geschah, die von den Türken gefangen genommen wurden.
Mando war von seiner Rede nicht sehr beeindruckt.
»Es ist sowieso vorherbestimmt, was mit mir geschehen wird«, erwiderte sie, »und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich im Ausland eine sinnvollere Aufgabe als hier finden würde.«
»Denken Sie an Ihre Mutter«, bat Jakinthos. »Ich weiß, dass sie sich hier zu Tode fürchtet, und als Tochter haben Sie Verpflichtungen.«
Unter halb geschlossenen Lidern blickte Mando zu ihm hin.
»Sagen Sie meiner Mutter – und jedem, der es noch wissen will, Herr Blakaris, dass ich die Letzte sein werde, die dieses Land verlässt!«
Im nächsten Monat hatte Mando viele Rückschläge zu meistern. Es begann damit, dass sie hundert ihrer Soldaten zur Unterstützung der Kämpfe auf den Peloponnes schicken wollte. Mit ihrem eigenen Boot sollten diese nach Tinos fahren, wo ein Schiff darauf wartete, sie aufs Festland zu bringen. Aber die Abfahrt verzögerte sich, weil ein reicher Mykoniate dafür gesorgt hatte, dass von Mandos Schiff alle Flaggen entfernt wurden. Ohne Flaggen konnte es nicht segeln. Wutentbrannt stürzte Mando in das Haus des Boykotteurs. Sie erfuhr, dass einige ihrer Soldaten hohe Schulden bei ihm gemacht hätten und er erst bereit wäre, das Boot fahren zu lassen, wenn diese beglichen waren. Es dauerte einige Tage, ehe Mando die geforderte Summe zusammenhatte und das Boot nach Tinos abfahren konnte. Mando ärgerte sich über den mangelnden Patriotismus des reichen Mykoniaten. Sie spürte nicht zum ersten Mal, dass die große Sache, der sie sich selber verschrieben hatte, für viele erst dann zum interessanten Unternehmen wurde, wenn sie Gewinn daraus schlagen konnten. Um auch diese Leute auf ihre Seite zu bekommen, verkündete sie daher völlig unbekümmert, dass eine neue griechische Regierung selbstverständlich erheblich weniger Steuern einziehen würde als die Türken.
Das Schiff, das in Tinos auf Mandos hundert Soldaten wartete, musste dort einen Monat lang im Hafen bleiben, weil der Meltemi, dieser heimtückische Nordwind, der bereits Odysseus übel mitgespielt hatte, jegliche Schifffahrt unmöglich machte. Viele der hundert Soldaten wurden krank und andere setzten sich ab und tauchten in den Bergen von Tinos unter.
Es war ein schlimmer Sommer für Mando, die zu allem Überfluss selber schwer krank wurde. Sie fieberte, konnte keine feste Nahrung bei sich behalten und mehrere Wochen lang bangte man um ihr Leben. Erst im Herbst war sie wieder kräftig genug, sich um ihre Armee, ihren immer noch umfangreichen Briefwechsel, die Ereignisse im Land und um ihre Liebe zu kümmern.
Marcus hatte sie zwei Monate lang nicht gesehen und er erschrak, als er sie vor der Steinhütte vom Pferd steigen sah. Sie hatte an Gewicht verloren, ihre dunklen Augen schienen tiefer in den Höhlen zu liegen und ihre Wangen waren eingefallen. Ihr glänzendes Haar wies allerdings darauf hin, dass sie die Krankheit überstanden hatte.
Wortlos fielen sie sich in die Arme und hielten einander eine lange Zeit fest.
»Mir hat die Liebe gefehlt«, flüsterte Mando, als Marcus sie an der Hand nahm und ins Haus führte. »Und nicht nur die«, fuhr sie fort, als sie sich auf das Bett setzte. »Meine Mutter hat tatsächlich dafür gesorgt, dass mich keine Nachrichten erreichen konnten! Ich komme mir vor, als ob ich für Jahre von der Außenwelt abgeschnitten gewesen wäre!«
»Monsieur Elitis hält deine Soldaten in Form«, versicherte Marcus, »und die Kämpfe draußen im Lande gehen weiter. Mit unterschiedlichen Erfolgen, aber auf lange Sicht werden wir den Sieg davontragen. Auf den Inseln ist es bisher zu keinen weiteren heftigen Vorfallen wie auf Samos gekommen und am Aufbau der griechischen Flotte wird weiter mit aller Energie gearbeitet.«
»Aber schwere Kriegsschiffe mit hundert Kanonen pro Stück haben wir im Gegensatz zu den Türken sicher auch noch nicht«, bemerkte Mando.
»Nicht ganz so schwere«, gab Marcus zu, »aber dass wir überhaupt welche haben, ist den Türken zu danken …«
»… du meinst, weil sie unseren Seeleuten gestattet haben sich gegen Piraten zu wehren?«,
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