Die Rebellin
gemacht.
»Jetzt sprich«, hörte sie Marcus sagen, »was haben dir die Mykoniaten denn angetan?«
»Ich war bei den Ältesten und habe sie gebeten mir meine Diamanten zurückzugeben.« Marcus wusste, dass sie Schmuck verpfändet hatte, um das Tinos-Schiff auszurüsten, »aber sie stellen sich einfach taub. Einer hat mich sogar gefragt, ob ich denn das Geld hätte, um die Diamanten wieder auszulösen!«
Marcus konnte sich gut vorstellen, wie Mando im Bürgermeisterbüro getobt haben musste.
»Ich habe gedroht der ganzen Welt zu erzählen, wie geizig und undankbar die Mykoniaten wären.«
»Und dann?«
»Und dann hat man mich mit einem Schuldschein abgespeist. Mit einem Stempel drauf.«
P ALLAS A THENE
Anfang Februar 1823 begegnete Mando ihrer Mutter auf der Straße. Diesmal ging sie nicht wie sonst grußlos an ihr vorbei, sondern blieb stehen.
»Maman«, sagte sie auf Französisch, »wo sind meine Diamanten? Der Ältestenrat hat mir mitgeteilt, dass sie Ihnen ausgehändigt worden sind. Ich möchte sie zurückhaben. Sie gehören mir.«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte Zakarati kühl und wollte weitergehen. Mando versperrte ihr den Weg.
»Ich brauche die Diamanten!«
»Um sie wieder zu verkaufen? Du hast bereits deine gesamte Aussteuer verschleudert, Ländereien, Häuser und Weingärten verscherbelt, die dir offiziell gar nicht gehörten, nicht einmal das Haus, in dem ich lebe, ist schuldenfrei!«
»Es ist mein Haus!«, verteidigte sich Mando.
»Dass du mit in die Ehe bringen solltest.«
Voller Verachtung blickte Zakarati ihre Tochter an.
»Und wie du schon aussiehst! Wie ein unbedarftes Mädchen vom Lande! Diese entsetzliche Garderobe – hast du etwa auch alle deine kostbaren Kleider zu Geld gemacht?«
»So weit es mir möglich war. Ich bin stolz darauf, die Tracht der Insel zu tragen, die ich befreit habe. Jede andere Mutter wäre stolz auf mich!«
Warum hatte sie das nur gesagt? Das klang ja, als ob sie die Anerkennung der Mutter wünschte. Was stimmte, wie Mando bestürzt feststellte. Sie wandte sich ab, damit Zakarati die Tränen nicht sah, die ihr in diesem Moment in die Augen stiegen.
»Ich will nur meine Diamanten«, murmelte sie, bevor sie davoneilte.
»Wenn du Pappas Nikolaos Mavros siehst«, rief ihr die Mutter noch hinterher, »sag ihm, dass ich ihn nicht mehr zu empfangen wünsche. Meine Tür wird ihm verschlossen bleiben. Pappas Mavros, wie ihr ihn nennt – der schwarze Pope – wahrlich ein trefflicher Name für diesen gottlosen finsteren Gesellen!«
Pappas Mavros war auf Mykonos? Dieser Gedanke ließ sofort all ihr Unbehagen verschwinden. Sie rannte beinahe ins Haus ihrer Tante, wo der Pope im Salon bereits auf sie wartete.
»Die Heldin von Mykonos!«, begrüßte er sie und legte ein Papier zur Seite, das er in der Hand gehalten hatte. Nachdem er sie auf die Stirn geküsst hatte, hob Mando das Papier auf.
»Das können Sie doch gar nicht lesen!«, lachte sie. »Es ist die französische Übersetzung von einem Zitat des Dichters Shelley!«
»Ich freue mich, dass du auch wieder Zeit für die schönen Dinge des Lebens hast«, lächelte der Pope.
»Dieses schöne Ding«, meinte Mando und wedelte mit dem Papier, »ist sehr wichtig für uns, fordert es doch Europa auf, sich mit Griechenland zu beschäftigen.« Sie übersetzte:
»Dies ist die Zeit des Krieges der Unterdrückten wider ihre Unterdrücker, in der die Rädelsführer der privilegierten Mörder- und Betrügerbanden, die gemeinhin Herrscher genannt werden, sich einander ihrer Hilfe zu versichern suchen gegen den gemeinsamen Feind; die angesichts der größeren Furcht, die sie beherrscht, sogar den Neid aufeinander zurückstellen. Alle Despoten dieser Erde können zu Mitgliedern dieser ›Heiligen Allianz‹ werden. Doch ganz Europa erlebt den Aufgang einer neuen Menschenrasse: Aufgezogen im Abscheu vor den Vorurteilen, aus denen ihre Ketten geschmiedet sind, wird sie selbst wieder neue Generationen hervorbringen, um das Schicksal zu erfüllen, vor dem die Tyrannen bangen und zittern.«
»Hübsch«, meinte der Pope. »Und wahrscheinlich hilfreich. Immer mehr Ausländer kommen ins Land, um uns beizustehen. Gerade erst ist die deutsche Legion des Bataillons der Philhellenen auf dem Peloponnes eingetroffen. Im Augenblick steht die Sache wirklich recht gut.«
Er berichtete ihr von dem türkischen General Hurlit, der in Westgriechenland zunächst Erfolg gehabt hatte, der aber dann in der Hafenstadt Missolonghi
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