Die Rebellin
Gefangenen freizulassen. Ein Murmeln ging durch die Menge und Pappas Mavros hob eine Augenbraue.
»Es ist ein großer Tag für dich«, sagte er zu Mando, als er mit ihr die Kirche verließ, »aber jetzt muss ich dir leider etwas zeigen, was dir gar nicht gefallen wird.«
Er führte sie zum Marktplatz, und Mando verschlug es den Atem, als sie ungefähr fünfzig grässlich verzerrte Köpfe auf Stöcken aufgespießt sah.
Sie würgte, hielt sich die Hand vor den Mund und flüsterte dann: »Es waren doch nur 17 Tote!«
»Es gibt keine Gefangenen«, sagte der Priester nur, »und du wirst keinen Menschen auf dieser Insel finden, der auch nur einen verwundeten Feind versorgen würde.«
»Aber ich habe mein Versprechen gegeben …«, sagte Mando verloren. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie sah, wie ein vielleicht neunjähriger Junge einem der Türkenköpfe die Zunge aus dem Mund zog.
»Im Krieg ist alles erlaubt«, sagte der Pope unbekümmert, »du wirst deswegen schon nicht in die Hölle kommen.«
Am Abend des selben Tages traf eine Delegation aus Spetsä und Hydra in Mykonos ein. Sie wurde vom griechischen Admiral Miaulis angeführt, der jene tapfere junge Frau kennen lernen wollte, die Mykonos vor der Vernichtung bewahrt hatte. Lange hielt er die Hand der schönen jungen Heldin fest.
»Ihr Name wird mit dem dieser Insel unlösbar verknüpft bleiben«, sagte er. »Durch Sie wird die Welt Mykonos kennen!«
»Durch mich wird die Welt Mykonos kennen«, sagte Mando drei Abende später verbittert zu Marcus, »aber das Gedächtnis der Mykoniaten ist offensichtlich sehr kurz!«
Sie schob seine Hand weg, die verlangend über ihre Oberschenkel geglitten war und auf dem verheißungsvollen Dreieck geruht hatte. Die Tür zum Wandschrank war offen und die Holzplatte nur nachlässig über die Luke geschoben worden. Mehr als eine Woche lang hatte Marcus nicht bei seiner Geliebten gelegen, ja, nicht einmal ein einziges Mal mit ihr allein zusammen sein können und das Blut staute sich in seinen Lenden. Sie durfte ihn jetzt nicht zurückweisen! Wieder griff er ihr zwischen die Beine und als sie sich wehrte, riss er ihr die Schenkel brutal auseinander.
»Quäl mich nicht, Mando!«, keuchte er. »Ich muss dich haben, jetzt, sofort, sonst werde ich wahnsinnig. Eine Woche lang hast du Mykonos und dem Rest der Welt gehört, hier und jetzt aber bist du die meine!«
»Lass mich los!«, tobte Mando und versuchte den kräftigen Körper abzuschütteln, der sich auf den ihren gesenkt hatte.
Vassiliki, die mit Mando ins Haus der Tante übergesiedelt war und jetzt in Marcus' Zimmer die Bettwäsche wechselte, blickte nach oben. Sie schlich zu Marcus' Wandschrank und hörte jetzt ganz deutlich die Stimmen der beiden.
»Glaubst du etwa, mir entgeht, wie gierig dich alle Männer ansehen und wie verführerisch du sie anlächelst, damit sie tun, was du willst?«, hörte sie Marcus' aufgebrachte Stimme. »Auf diese Brüste …«, Vassiliki vernahm einen unterdrückten Aufschrei von Mando, »… auf diesen Schoß …« Vassiliki stieg auf den hohen Hocker im Wandschrank, schob vorsichtig die Holzplatte weiter zur Seite und verfluchte es, nicht lang genug zu sein, um den Kopf hindurchzustecken, »… werde ich mein Zeichen einbrennen. Nie wirst du einem anderen angehören als mir!«
Schweres Atmen war zu hören, das Quietschen des Bettgestells und schließlich ein hoher spitzer Schrei.
Vassiliki schlug sich vor den Kopf. Dass ihr, die sie sonst alles merkte, dies bisher entgangen war, dass sie nicht an Marcus gedacht hatte, als Mando jene Nacht außer Haus verbracht hatte. Sie wurde alt, anders ließ sich das nicht erklären.
Das Stöhnen und schnelle Atmen ließ die Erinnerung an ihre Liebesnächte mit Ali Pascha wieder wach werden. Wie hatte sie dieser große, als so grausam geltende Mann begehrt, sie, die als einfache Dienerin in sein Haus gekommen war, hatte er unter tausenden ausgewählt! Er hatte sie zur Mutter seines Sohnes gemacht, jenes Sohnes, der später dem Sultan die eigene Mutter geschenkt hatte, damit sie als Dienerin im Serail für immer aus seinem Leben verschwand. Aber sie hatte sich gerächt, an ihm und, ja, auch an seinem Vater, der sie zwar begehrt, aber nie geliebt und immer benutzt hatte. Sie wusste, dass Ali Pascha ihren Tod in Kauf genommen hatte, dass es ihm nur darum gegangen war, den grünen Kasten, den er dem Sultan geschenkt hatte, wiederzubekommen! Aber da hatte er die Rechnung ohne Vassiliki
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