Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
Fragenberg. Ich lehnte mich zurück und musterte ihn wie ein abstraktes Rätsel, das es zu lösen galt.
»Hast du Mitbewohner?«, fragte ich.
»Nein«, antwortete er ein bisschen zu schnell. Er stand auf, als die Bahn sich unserer Haltestelle näherte und abbremste. Anscheinend hatte Justin keine Hemmungen, mich über mein Privatleben auszufragen, aber sobald ich den Spieß umdrehte, war es vorbei mit der Offenheit. Wir stiegen aus der Bahn, doch bevor wir den Coffeeshop betraten, schaute sich Justin noch einmal nach mir um.
»Madeline, ich möchte dich mit ein paar Freunden bekannt machen, bevor ich wegfahre.«
Das klang so, als ob er nicht nur einen kurzen Wochenendtrip meinte.
»Musst du wegen deiner Arbeit weg?«, fragte ich.
Er zögerte, atmete tief durch und antwortete: »So könnte man es ausdrücken.«
»Wohin fährst du?«, hakte ich nach.
Er blieb vor der Tür stehen, und ich rannte fast in ihn hinein, denn mein Kopf war immer noch mit der Frage beschäftigt, was Justin mir wohl verschwieg. Da ging die Tür auf, ein Glöckchen klingelte, und ein älteres Paar kam mit Kaffeebechern in der Hand die Treppe herunter. Justin trat aus dem Weg, um sie vorbeizulassen. Mich musste er erst zur Seite ziehen, denn meine Füße schienen wie festgewachsen, während ich den widerstrebenden Blick analysierte, mit dem er mich betrachtete.
»Können wir später darüber sprechen?«, fragte er.
»Wieso ist es so schwer, eine einfache Frage zu beantworten?«
Er runzelte die Stirn über so viel Hartnäckigkeit. »Weil sie nicht einfach ist.«
»Das heißt, du kannst mir nicht mal sagen, wo du hinfährst? Und erzähl mir bloß nichts über deine Arbeit für die Electric Company. Die Ausrede ist so absurd, dass sie schon fast komisch ist.«
Sein Blick wurde ein bisschen sanfter. Meine Beharrlichkeit schien ihn zu amüsieren, als sei er es nicht gewohnt, jemandem Rede und Antwort zu stehen. »Ich bin hier eigentlich nicht zu Hause«, sagte er schließlich.
Ich wartete ein paar Sekunden, ob er von sich aus weiterreden würde, aber anscheinend musste ich ihm jedes einzelne Wort aus der Nase ziehen.
»Und wo bist du zu Hause?«
»Überall.« Er schaute zur Seite. »Und nirgends.«
Zwei Mädchen drängten sich an uns vorbei und gingen die Stufen zum Eingang hoch. Ich sah, wie der einen von ihnen bei Justins Anblick die Kinnlade herunterklappte, aber er beachtete sie nicht einmal. Seine Augen waren nur auf mich gerichtet.
»Du bist nicht die Einzige mit einem bizarren Privatleben, weißt du.« Auf seinen Lippen lag die Andeutung eines Lächelns, aber es erreichte seine Augen nicht.
Ich schaute durch die Scheiben nach innen. »Wen willst du mir vorstellen?«
Er zählte eine Handvoll Namen auf. Jake, bei dem er immer übernachtete, wenn er in der Stadt war. Riley, sein Cousin Pat, seine Freunde Scott und Molly.
»Vielleicht ist auch Clare da. Sie ist umwerfend cool. Bestimmt wirst du sie mögen.«
Ich spürte einen Stich von Eifersucht, als er die umwerfend coole Clare erwähnte, und hätte mich dafür am liebsten selbst geohrfeigt. Gleich darauf folgte ich ihm auch schon in das mit Leuten vollgestopfte Café. Vor dem Tresen stand eine Warteschlange, Grüppchen saßen an hochbeinigen Tischen, auf Ledersofas und auf Barhockern an der Kaffeetheke. Manche Leute hatten sich gar nicht erst einen Sitzplatz gesucht, sondern schlenderten von Gruppe zu Gruppe. Es war eine überwältigende Erfahrung, so viele Menschen auf engem Raum zu sehen und zu spüren. Instinktiv rückte ich näher an Justin heran. Er nahm mich beim Arm und zog mich durch eine Gruppe Teenager, die im Kreis zusammenstanden. Ich manövrierte umständlich an ihnen vorbei und versuchte, niemanden zu berühren, was fast unmöglich war.
»Ist es hier immer so voll?«, fragte ich und musste über den Lärm hinweg schreien. Er nickte.
»Einen anderen Coffeeshop gibt es in der Stadt nicht«, sagte er. Während wir uns durch die Menge bewegten, fiel mir auf, dass jeder hier Justin zu kennen schien. Mehrere Male hielt er an, um Hände zu schütteln oder jemanden mit einem lässigenHigh-Five zu begrüßen. Aus einer entfernteren Ecke wurde sein Name gerufen und als ich mich umdrehte, erkannte ich die Thekenbedienung, die Justin mit großer Geste zuwinkte. Es war das Mädchen aus der Lerngruppe, das Justin ihren Nachbarplatz angeboten hatte. Justin hatte Recht, die wirkliche Welt war ziemlich klein geworden. Ich sah, wie er ihr spontan zulächelte und wünschte, er
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