Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
ermunterte, mir den Hof zu machen.Damit hätte ich einen weiteren Bewacher, der mich im Auge behielt. Ich schaute mich im Saal um und mir fiel auf, wie still es überall an den Tischen war. Jedes Jahr schien es den Leuten unangenehmer zu werden, sich von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Betty schrieb immer noch Chatnachrichten, und auch an jedem anderen Tisch saß jemand, der mit seinem handlich aufklappbaren Onlineleben beschäftigt war. Was für eine Ironie, dachte ich. Um uns herum ist das wirkliche Leben, aber es zieht so unbeachtet vorbei wie die Wolken am Himmel, weil die Leute nicht mehr sehen, was sich direkt vor ihrer Nase befindet. Stattdessen kommt ihnen das, was die kleinen Bildschirme in ihren Händen zeigen, automatisch viel bedeutender vor.
Blicklos starrte ich auf meinen Teller. Ich hielt mich nicht für etwas Besseres, aber ich fühlte mich wie die falsche Person am falschen Ort.
Plötzlich dröhnte eine Stimme aus den Lautsprechern und ich zuckte zusammen. Auf der Bühne vor unserem Tisch stand ein älterer Herr mit grauer, streng zurückgekämmter Haarmähne, der per Mikrofon die Gäste begrüßte.
»Ich wünsche Ihnen allen einen guten Abend und heiße Sie herzlich willkommen zum diesjährigen fünfzehnten Wohltätigkeitsempfang für das Amerikanische Schulwesen.«
Begeisterter Applaus ertönte, ich tippte ein wenig die Finger zusammen.
»Lassen Sie uns als ersten Ehrengast den Gründer der Digital School höchstpersönlich begrüßen: Kevin Freeman.«
Der Applaus brandete noch energischer auf, und die Gäste im Saal erhoben sich von ihren Stühlen, sodass mein Vater zu Standing Ovations und einem Blitzlichtgewitter auf die Bühne trat. Er schüttelte dem Mann mit dem Mikrofon die Hand und blickte so stolz auf uns herunter wie ein Adler von seinem Ausguck auf der höchsten Spitze des höchsten Baumes. Mit einem breiten Lächeln musterte er seine begeisterte Anhängerschar.
»Vielen Dank.« Die Menge setzte sich wieder.
Ich faltete die Hände im Schoß, hielt den Blick auf meinen Vater gerichtet und bereitete mich innerlich auf die Rekordstatistiken vor, die er jedes Jahr aus dem Hut zauberte, um die Zuschauermenge anzuheizen. Als es im Saal ruhig geworden war, fuhr er mit seiner Ansprache fort.
»Lassen Sie uns die Gläser erheben, denn es gibt vieles zu feiern. Gemeinsam wollen wir anstoßen auf das erfolgreichste Schulprogramm, das unser großartiges Land in seiner ganzen Geschichte gesehen hat!«
Zustimmende Rufe und Pfiffe ertönten und alle Gäste hoben ihre Gläser in die Höhe. Bei dem Anblick der versammelten Machtelite, die meinem Vater einträchtig zu Füßen lag, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.
»Die Digital School ist ein Erfolg«, rief er und zur Antwort johlte die Menge begeistert. Ich schnaubte und richtete mich auf meinem Stuhl auf. Mussten sie ihn nach jedem einzelnen Satz mit Beifall überschütten?
»Die Jugendkriminalität ist auf ein nie gekanntes Minimum gesunken.«
Erneuter Applaus.
»Seit dem Beginn des DS-Programms sind Schussverletzungen und Todesfälle unter Teenagern um 67% zurückgegangen.« Das Publikum unterbrach meinen Vater mit einem Aufschrei der Begeisterung.
»Der Drogenmissbrauch bei Jugendlichen hat sich um 66% verringert.« Diesmal machte er eine Kunstpause und wartete auf seinen Applaus.
»Seit der gesetzlichen Verankerung des DS-Programms gab es 45% weniger Selbstmorde unter Jugendlichen und unglaubliche 91% weniger Teenagerschwangerschaften!«
Die Zuschauer sprangen auf und klatschten. Ich stand ebenfalls auf, beobachtete die jubelnde Menge und den Mann aufder Bühne vor mir. Mein Vater sog die Bewunderung auf wie ein Schwamm.
»100% der Kinder und Jugendlichen in unserem Land bekommen eine kostenfreie Schulbildung und alle Unterrichtsmaterialien, die nötig sind, um ihnen ein glückliches Leben zu ermöglichen und diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Alle Kinder und Jugendlichen in unserem Land haben gefahrlosen Zugang zu einem sicheren, intellektuell herausfordernden Lernprogramm, das jetzt und in Zukunft das Beste ist, was weltweit je geboten wurde. Aktuelle Tests beweisen, dass die amerikanischen Schüler international an der Spitze stehen. Das DS-System funktioniert und wird auch weiterhin reibungslos funktionieren. Durch die Digital School ist Schulerziehung zu dem geworden, was sie immer sein sollte, und Amerika ist für unsere Kinder so sicher wie nie.«
Die Standing Ovations am Ende seiner Rede dauerten
Weitere Kostenlose Bücher