Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
abtrennte. Justin hatte mich immer wieder gewarnt, dass er als Freund nicht verlässlich war, aber in diesem Moment konnte ich mir wahrhaftig keinen besseren vorstellen.
Er nickte und hielt mir die Hand entgegen.
»Dann komm«, sagte er. »Ich glaube, ich habe eine Idee, was dir helfen kann.«
Kapitel 8
----
Ich folgte Justin nach draußen zu seinem Wagen, der um die Ecke geparkt stand. Schweigend fuhren wir die vereinsamten Straßen entlang und ich konzentrierte mich auf den Sprühregen, der gegen die Windschutzscheibe geblasen wurde. In meinem Kopf feuerten die Gehirnzellen so unablässig, dass sich mein Schädel wie eine Kriegszone anfühlte. Ich sah den Scheibenwischern auf dem Glas zu. Für einen kurzen Augenblick wurde die Sicht klar, doch dann verschwamm die Welt wieder hinter einem nebeligen Dunst, als würde man durch einen Tränenschleier schauen. Wir hielten neben einem Wohnblock an, aus dessen drei großen Erdgeschossfenstern helles Licht fiel. Draußen befand sich keine Reklame oder Leuchttafel, aber als Justin die Eingangstür öffnete, begrüßte uns ein fröhliches Läuten.
Wir befanden uns in einem Bistro. Es bestand aus einem schmalen, langen Raum mit blaubeerfarben gestrichenen Wänden. An einer Seite zog sich eine weiße Theke entlang, an der anderen luden halbrunde rote Lederbänke zum Sitzen ein. Hinter der Theke stand eine Kaffeemaschine, Teller und Tassen waren aufgetürmt. Eine Kühlvitrine enthielt Kuchen, Torten und Desserts. An einem der Tische saß ein junges Paar im Künstlerlook, beide mit bunten Schals und ausgebeulten handgestrickten Mützen. Sie lehnten sich vertraut aneinander und flüsterten sich etwas zu. Ein Mann in Wolljacke und Jeans saß lesend auf einem Barhocker an der Theke, und ich stellte fest, dass er ein Buch ausPapier benutzte, ähnlich wie die aus der Vitrine meiner Mom, die sie mir geschenkt hatte. In der Luft lag der Geruch von Kaffee und ein süßlicher Duft, der mir das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Eine Frau kam zu uns geschlendert, um uns zu begrüßen. Sie trug ein altmodisches Kellnerinnenkostüm, wie ich es aus Filmen kannte: ein weißes, vorne zugeknöpftes Schürzenkleid mit einem rosafarbenen Spitzenrand am Ausschnitt.
»Justin«, begrüßte sie ihn mit kratziger, abgenutzt klingender Stimme. Ihre Haut war sonnengebräunt und die Zähne vom vielen Kaffeetrinken verfärbt, aber sie schaute ihn mit einem warmen Lächeln an. Der rosa Lippenstift war auf den Spitzenrand des Kleids abgestimmt. »So schön, dich zu sehen«, sagte sie.
Justin musste sich zu ihr herabbeugen, um sie zu umarmen, obwohl sie bereits auf den Zehenspitzen stand.
Dann wandte sie sich mir zu und betrachtete mich kritisch. »Wen hast du denn da mitgebracht?«
»Ich heiße Madeline«, antwortete ich und stellte fest, dass ich es schon ganz normal fand, meinen Namen laut auszusprechen. Eigentlich war es sogar schön, ihn zu hören.
»Irene«, entgegnete sie mit einem Nicken und wir folgten ihr zu einer Sitzecke an einem der Fenster. Sie fragte Justin, ob er das Übliche haben wolle, er nickte und bestellte zusätzlich zwei Tassen Kaffee.
Da es hier drinnen warm genug war, zog ich Justins Jacke aus und legte sie neben mir auf das Lederpolster. Ich raffte mein Kleid zusammen, um mich zu setzen, und war von mir selbst überrascht, weil mir meine übertriebene Aufmachung nicht peinlich war. Das kleine Bistro war genau, was ich gebraucht hatte: eine ruhige, entspannte Atmosphäre, sanftes Licht, keine Bildschirme und Digitalreklame. Die Hintergrundgeräusche bestanden nur aus leisen Stimmen und unaufdringlicher Jazzmusik, die aus einem Lautsprecher neben der Kasse drang.
Justin erklärte mir, dass es hier keine Speisekarte gab, weil nurhausgemachte Leckereien von der Theke und Kaffee angeboten wurden.
»Wie können sie damit denn genügend Geld verdienen?«, fragte ich.
»Hier geht es nicht um Profit. Irene besitzt dieses Bistro schon so lange ich denken kann, weil sie einfach gerne unter Menschen ist.«
»Was hast du bestellt?«, fragte ich.
»Wirst du gleich sehen«, meinte er. »Und glaub mir, das wird eine bewusstseinserweiternde Erfahrung.«
Ich betrachtete Justin mit seinen widerspenstigen Haaren voller Nebeltropfen. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass ich keine Torte brauchte, um mein Bewusstsein zu erweitern und meine Welt auf den Kopf zu stellen. Dafür reichte schon allein seine Nähe.
Irene kam mit dem Kaffee und einem Sahneschälchen zurück. Nachdem sie
Weitere Kostenlose Bücher