Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
alles abgesetzt hatte, folgte ein gemeinsamer Teller für uns beide, auf dem sich ein gigantisches Stück Schokoladentorte befand. Es bestand aus drei Kuchenschichten, war dazwischen mit Mousse au Chocolat bestrichen und mit einem großen Tupfer Schokosahne verziert. Bei dem Anblick leckte ich mir die Lippen.
»Na, fühlst du dich schon besser?«, fragte Justin mit einem kleinen Grinsen.
Anstatt zu antworten, griff ich nach meiner Gabel und mampfte los. Die Schokolade zerlief mir sahneweich auf der Zunge und ich spülte sie mit einem heißen Schluck Kaffee herunter. Zweifellos war das die beste Medizin für ein Stimmungstief, die es auf der ganzen Welt zu kaufen gab. Was natürlich auch an der Gesellschaft liegen konnte, in der ich mich befand.
Ich schaute auf und stellte fest, dass Justin mich mit einem abwesenden Blick betrachtete. Er streckte die Hand aus, gerade als ich bemerkte, dass mir eine Haarsträhne über die Schulter gefallen war und fast in meiner Tasse hing. Als ich sie zurückstreichenwollte, kam mir Justin mit der gleichen Absicht in die Quere, sodass ich plötzlich für einen verwirrenden Moment seine Hand in meiner hielt. Er zog die Finger so schnell zurück, als hätte er sich verbrannt.
»Sorry«, sagte er. »Deine Haare sind fast im Kaffee gelandet.«
Ich strich die Strähne zurück und murmelte: »Danke«. Dabei lief ich hochrot an. Ich nahm einen weiteren Bissen vom Schokokuchen, wobei ich sorgfältig darauf achtete, an meinem Ende des Kuchens zu bleiben.
»Irgendwie ist es deprimierend zu wissen, dass es so etwas Leckeres die ganze Zeit gab und ich es jetzt erst rausgefunden habe«, stellte ich fest, während ich eine Gabel voll Mousse au Chocolat genoss.
»Wenigstens hast du es rausgefunden.«
Ich nahm noch einen Schluck von dem heißen Kaffee und schaute aus dem Fenster in den Regen. An der Glasscheibe hörte er sich an wie viele leise klopfende Fingerspitzen. »Jetzt tut es mir richtig leid um meine Eltern.«
Justin schüttelte den Kopf. »Sollte es nicht. Die gleiche Erfahrung würde bei ihnen ganz anders ankommen. Sie würden sich in dieser Welt genauso unwohl fühlen wie du dich in ihrer.«
Das galt für meinen Vater, aber nicht für meine Mutter und das ließ ich Justin auch wissen.
Er leckte Mousse au Chocolat von den Zinken seiner Gabel und fragte, wie ich das meinte. Mir fiel es nicht leicht, meine Konzentration von der Torte loszureißen.
»Meine Eltern sind das genaue Gegenteil voneinander«, erklärte ich dann. »Mom ermutigt mich geradezu, mich gegen das DS-System aufzulehnen, und gleichzeitig bekommt mein Vater schon einen Anfall, wenn ich die Digital School auch nur andeutungsweise infrage stelle. Manchmal fühlt es sich an wie ein Tauziehen mit mir in der Mitte. Die meiste Zeit habe ich keine Ahnung, auf wen von den beiden ich hören soll.«
Er zuckte mit den Schultern. »Du musst dich für keine Seite entscheiden«, sagte er. »Such dir deinen eigenen Standpunkt und glaub daran.«
Inzwischen hatten wir die Torte aufgegessen, aber auf dem Teller lagen noch ein paar Krümel, die ich sorgfältig aufpickte. Einen letzten Rest Schokosahne leckte ich mir vom Finger, denn sie schmeckte einfach zu gut, um auf das kleinste bisschen zu verzichten.
Ich erzählte Justin, dass meine Mutter aufgehört hatte, selbst zu kochen, als ich noch sehr klein war. Inzwischen ließen sich schließlich alle Mahlzeiten zubereitet und verpackt für die ganze Woche vorbestellen. Ich beschrieb ihm unsere Küche und den peinlich genau durchorganisierten Kühlschrank mit Packungen voller fertig geschnittenem Obst und Gemüse, Salatschalen, Protein- und Vitamindrinks. Tiefgekühlt gab es säuberlich etikettierte Aufläufe, Nudelgerichte, Pizzas und Suppen zum Aufwärmen. In den Küchenschränken stapelten sich luftdicht verpackte Sandwiches, Müsliriegel und Nahrungsergänzungsmittel.
Irene kam vorbei, um uns Kaffee nachzufüllen und den leeren Teller mitzunehmen.
»Ich kann nur sagen, da ist mir ganz schön was entgangen«, stellte ich fest.
»Genau das kapiere ich nicht«, meinte Justin. »Die Leute benehmen sich, als ob Essen etwas Lästiges sei. Weil sie zu beschäftigt mit ›wichtigen‹ Dingen sind, um sich mit Nahrungsaufnahme aufzuhalten. Dabei ist der menschliche Körper dazu geschaffen, Essen zu genießen.« Er stellte seine Kaffeetasse ab und sah mich an. »Wusstest du, dass sich auf deiner Zunge über zehntausend Geschmacksknospen befinden? Zehntausend. Und dabei ist der
Weitere Kostenlose Bücher