Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
Profile zu klicken und nach Leuten wie Justin und Clare zu suchen. Es gibt ein Sprichwort, dass man im Leben immer wieder den gleichen Leuten begegnet, aber daran glaubte ich jetzt nicht mehr. In meinen fast achtzehn Lebensjahren hatte ich noch nie jemanden getroffen, der den beiden ähnelte. Die Welt unterteilt sich in Menschen, die dir erzählen, dass deine Träume unerreichbar sind, und in solche, die dich auf ihre Schultern heben, damit du besser herankommst. Vielleicht weiß ich nicht sehr viel über das Leben, aber zumindest habe ich inzwischen eine Ahnung, mit wem ich meine Zeit verbringen will. Ich lasse mich lieber zu den Sternen heben als am Boden festnageln.
Also klickte ich mich wie üblich durch die sozialen Netzwerke, verabredete mich zum Filme schauen und ähnlichem. Doch die ganze Zeit konnte ich den Gedanken nicht abschütteln, dass eigentlich gar nichts passierte. Ich war nur ein Mädchen, das vor einem Computer saß und dem man ein Scheinleben vorspielte.Selbst als ich auf Avatare verzichtete und mit ein paar Leuten von Angesicht zu Angesicht chattete, hätte ich am liebsten durch den Bildschirm gegriffen und sie berührt, einfach um sie zu spüren. Ich wollte mehr vom Leben als diese hohle Leere. Mir wurde immer deutlicher bewusst, dass meine Onlinefreundschaften nur an der Oberfläche dümpelten und nicht die geringste Tiefe hatten. Wir unterhielten uns nie darüber, wie es in uns aussah, weil wir uns gar nicht die Zeit nahmen, über uns selbst nachzudenken. Stattdessen waren wir damit beschäftigt, uns vorleben zu lassen, wer wir sein sollten, welche Mode gerade angesagt war, wie wir unsere Freizeit zu verbringen hatten. Wir lernten, wen es nachzuahmen galt, denn da wir keine Zeit für eigene Gedanken oder Meinungen hatten, beschränkten wir uns darauf, andere zu zitieren.
Bevor ich Justin begegnet war, hatte ich angefangen, mich mit meinem Leben und meiner vorgezeichneten Zukunft abzufinden. Jetzt wusste ich nicht mehr, wer ich war oder was ich eigentlich wollte. Es fühlte sich an, als hätte man mich gepackt und kopfüber gehalten, um alle meine Gedanken, meine Vergangenheit, meine Ziele aus mir herauszuschütteln.
Meine Handy klingelte, und ich atmete erleichtert auf, als ich den Namen auf dem Bildschirm sah.
»Hi«, sagte Clare.
»Was machst du gerade?«, fragte ich und klopfte nervös mit dem Fuß auf den Boden.
»Für meine Hausarbeit über Geothermalenergie recherchieren«, antwortete sie. »Umwerfend spannend.«
Ich nickte und starrte auf meinen Flipscreen. »Ja, klingt danach.«
»Jetzt ist Schluss. Heute Abend brauche ich eine Pause«, stellte sie fest.
Genau das wollte ich hören. »Willst du was unternehmen?«
Ihr Lachen war fröhlich und so ansteckend, dass ich unwillkürlich lächeln musste. »Bist du auch so zappelig wie ich?«
»Wir könnten irgendwohin, wo es Musik gibt. Vielleicht zu dem Club an der Westside?«
»Genau das wollte ich gerade vorschlagen«, sagte Clare. »Wir treffen uns an der Bahnhaltestelle Ecke Hamersley und Fifth Avenue.«
Kaum hatten wir aufgelegt, sprang ich auf die Füße, als hätte gerade jemand die Tür meines goldenen Käfigs geöffnet. Ich schaute an mir herunter, an meiner ausgebeulten Jeans und dem weiten Pullover, die beide zu meinen bequemsten Alltagsklamotten gehörten, aber nicht zu meinem Stimmungsumschwung passten. Eine einzige Nacht konnte mein Leben völlig verwandeln und mein Outfit sollte das widerspiegeln. Ich öffnete den Kleiderschrank und wühlte darin herum, bis ich einen schwarzen kurzen Rock in die Hand bekam, an dem noch immer das Preisschild hing. Als Nächstes griff ich nach einem engen Top, das ich ebenfalls noch nie getragen hatte, und entdeckte passend dazu im hintersten Winkel des Schranks ein einsames Paar Stöckelschuhe. Ich musste erst den Staub von ihnen abwischen. Wahrscheinlich hatte Mom sie mir einmal in der Hoffnung geschenkt, dass ich irgendwann meine feminine Seite entdecken würde. Schnell zog ich mich um und betrachtete mich prüfend im Spiegel. Mein Blick landete auf der Schnittwunde an meinem Bein, und mein Magen schlug bei der Erinnerung an jene Nacht einen Purzelbaum, als würde ich wieder Justins Finger auf meiner Wade spüren.
Statt mich in Fantasien zu verlieren, ging ich ins Badezimmer, denn wenn ich mich schon einmal zurechtmachte, wollte ich mich nicht mit halben Sachen begnügen. Bestimmt ließ sich etwas mit meinen Haaren anstellen. Ich öffnete eine Schublade unter dem Waschbecken und
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